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Knifflige Roller-Frage

Wenn kleine Kinder Schäden anrichten, haften Eltern nur, wenn sie die Aufsichtspflicht verletzten. Zur Freude der Versicherungen  ■ Von Kaija Kutter

Kinder haben in der Stadt wenig Platz, sich zu bewegen. Auf jedes Hamburger Kind kommen in Hamburg vier parkende Autos. Viele Fußwege sind so eng zugeparkt, dass leicht mal ein Kinderroller oder Fahrrad die Lackschicht eines Autos zerschrammt. So passierte es jüngst Andreas K. mit seinem 6-jährigen Sohn. Während er sein kleineres Kind im Buggy schob, düste der Ältere mit dem Roller vorneweg, stürzte und schrammte den Kleinwagen einer Nachbarin. Es entstand ein Schaden, dessen Beseitigung laut Werkstatt über 1000 Mark kosten sollte.

Kein Problem, dachte Andreas K., die Haftpflichtversicherung wird schon dafür aufkommen. Das sagte diese bei einem ersten Telefonat auch zu. Doch nachdem Vater und Geschädigte detaillierte Angaben über den Vorgang gemacht hatten, kam ein abschlägiger Brief. Der Sohn sei unter sieben und somit nicht „deliktfähig“. Die Versicherung würde nicht zahlen. Die Nachbarin beriet sich mit ihrem Anwalt und drohte mit Klage. Andreas K. wollte die Aufregung eines Prozesses vermeiden und zahlte als Kompromiss 500 Mark.

„Das hätte er nicht tun müssen“, sagt Gabriele Schneider, Juristin der Düsseldorfer Arag-Versicherung, die die Rechtsauffassung von K.'s Versicherung teilt. „Kinder unter sieben haften selber nicht.“ Ob die Eltern dies tun, hänge davon ab, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzten. „Und dies“, sagt Schneider, „ist eine Frage des Einzelfalls.“ Einen 5-Jährigen könnte man eher unbeaufsichtigt auf einer Spielstraße lassen als ein 3-jähriges Kind. Haben die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt, besteht laut Arag-Juristin „ein Schadensanspruch, den die Haftpflichtversicherung zahlt“. Würde besagte Nachbarin Andreas K. verklagen, müsste diese Frage vor Gericht geklärt werden. Schneider: „Wir würden die Prozesskosten übernehmen und einen Anwalt beauftragen und im Fall der Niederlage auch zahlen.“ Ernst August Thomsen von der „Vereinigten Haftpflicht-Versicherung“ (VHV) sieht das genauso: „Der Kleine haftet nicht und der Vater auch nicht.“ Für Schäden am Pkw, rät Schneider, könnten die Halter dann eine Vollkasko-Versicherung in Anspruch nehmen.

Manche Versicherungen, so Schneider, böten einen Zusatz an, der die Schäden „deliktunfähiger Kinder“ von vornherein mitversichert. Dann würde die Haftung unabhängig von der Aufsichtsverletzung übernommen. Generell seien mit jeder Haftpflichtversicherung, die etwa zwei Drittel aller Haushalte besitzen, Kinder und Ehepartner mitversichert. Verbraucherberater empfehlen dennoch, die Kinder ausdrücklich bei der Versicherung anzumelden.

Waltraut Braker, die als Juristin in der Verbraucherberatung tätig war, hat die Erfahrung gemacht, dass sich Versicherungen dennoch aus der Schadensübernahme he-rauswinden. So würde Eltern, die ihre Aufsichtspflicht verletzen, dies als „grobe Fahrlässigkeit“ ausgelegt, für die im Unterschied zur „leichten Fahrlässigkeit“ keine Haftung bestehe. Je nach Einzelfall könne die Aufsichtspflicht schon verletzt sein, wenn eine Mutter nur zwei Meter hinter einem Kind geht, das noch nicht gut Roller fahren kann. Dies vorher üben sollten Kinder nach der Diktion der Versicherungen dort, wo sie „weder sich noch andere gefährden“.

Die Einschränkung der „groben Fahrlässigkeit“ gebe es bei der Haftpflicht nicht, beteuert hingegen Arag-Juristin Schneider. Dies sei nur bei Hausrats- und Kasko-Versicherungen für Autos von Bedeutung. Einschränkungen vieler Art gibt es jedoch für die über 7-jährigen Kinder, die für Schäden haften. In jedem Fall sollten Kinderhaushalte eine Haftpflichtversicherung besitzen, andernfalls könnten sich die Kleinen schon früh verschulden. Aber auch bei Versicherungsschutz wird nicht automatisch gezahlt. Während man jüngeren Kindern eher einen Spieltrieb unterstellt, wenn sie etwas kaputt machen, wird bei 10- oder 12-Jährigen schon geprüft, ob der Schaden „vorsätzlich“ enstand. „Dann zahlt die Haftpflichtversicherung nicht“, erklärt VHV-Jurist Thomsen.

Für die Zahlungsbereitschaft des Vaters zeigten übrigens einige Versicherungsjuristen volles Verständnis. Manchen sei Friede mit den Mitmenschen eben wichtiger als ein gewonnener Prozess.

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