: Der Umstieg als Ausstieg
Die taz-Ökostromkampagne ist ein voller Erfolg: 1.568 LeserInnen haben mit Ökostromlieferanten einen Vertrag abgeschlossen. Überhaupt: taz-LeserInnen sind die sparsamsten Stromverbraucher
von ANDREAS BULL
Ende Juli vergangenen Jahres startete die taz eine auf drei Monate angelegte Ökostromkampagne. Sieben bundesweite Anbieter nahmen teil. Die Kampagne war ein Erfolg: Gut sieben Prozent oder 4.232 taz-KäuferInnen wollten Informationsbroschüren von einem oder mehreren Anbietern. Mit 1.568 taz-KäuferInnen wurden bis dato Stromlieferverträge abgeschlossen.
Die Aktion von taz und Ökostromlieferanten umfasste Porträts, Interviews, Debatten, Berichte und Info-Tabellen über die Produkte. Den taz-LeserInnen wurde angeboten, die Liberalisierung des Strommarktes zum Ausstieg aus dem Verbrauch von Atomstrom zu nutzen.
Grundlegendes Kriterium für die taz war, dass die Anbieter ihr Produkt bundesweit vertreiben und ernsthaft versuchen, das Interesse ihrer Kunden gegen den etwaigen Widerstand von Netzbetreibern durchzusetzen. Bei der Auswahl der Firmen orientierte sich die taz an einem Testergebnis der Stiftung Warentest vom Mai 2000. Zu den als Testsieger hervorgegangenen fünf Anbietern best energy, NaturPur AG, Greenpeace energy, Lichtblick und Ökostrom Handels AG wählte die taz noch die von Umweltverbänden und Öko Strom Labels geprüften Anbieter Naturstrom AG und die „Stromrebellen“ der Elektrizitätswerke Schönau aus, weil auch sie Kriterien wie Stromzusammensetzung, Neubauquote und die Unternehmensausrichtung auf Atomausstieg erfüllten.
Die Umstiegswilligkeit der StromverbraucherInnen ist in Deutschland bislang gering ausgeprägt. Nur zwei bis drei Prozent der Haushalte sind insgesamt auf gelbe, rote oder grüne Stromprodukte umgestiegen, seit das Stromliefermonopol mit der Verabschiedung des neuen Energiewirtschaftsgesetzes am 24. April 1998 endete.
Ursache dafür sind Hindernisse, die durch die alten Strommonopolisten und Stromnetzbetreiber aufgebaut werden. Diese verlangen von neuen Firmen oft überhöhte Zähler- und Durchleitungsgebühren und schüchtern kündigungsbereite Kunden ein, um sie vom Lieferantenwechsel abzuhalten. Dagegen wiederum sind seit Jahren Klagen der neuen Anbieter beim Bundeskartellamt anhängig. Die Wettbewerbshüter haben gegen 22 Stromnetzbetreiber Untersuchungen wegen Verdachts überhöhter Durchleitungsgebühren und Behinderung anderer Anbieter eingeleitet. Lichtblick, best energy und vier weitere Energieanbieter führen mittlerweile sogar zivilgerichtliche Musterverfahren gegen insgesamt 13 Netzbetreiber wegen zu hoher Netznutzungsentgelte.
Trotz aller Widrigkeiten steigen die Zahlen der Umsteiger weiter an. Die Hürden in einigen Liefergebieten sind beseitigt, die Liefer- und Serviceerfahrungen seitens der Anbieter haben sich verbessert. Stiftung Warentest registriert „guten Service bei den Ökos“ (Test-Heft 8/2001).
Ansonsten scheint die Konjunktur der Umsteigewilligen für Ökostrom der Logik der taz-Abokurve zu folgen: Ein Run auf Ökostrom setzt entweder dann ein, wenn ein Ereignis wie die Inbetriebnahme des Kernreaktors von Temelín die Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt oder wenn durch eine taz-Kampagne eine bestimmte kritische Zielgruppe erreicht wird. Der wichtigste ökologische und ökonomische Aspekt der taz-Kampagne verbirgt sich aber hinter den Zahlen: Die taz-LeserInnen verbrauchen weit weniger Strom als die restlichen Haushalte.
Andreas Bull ist taz-Geschäftsführer und seit Juni 2000 zufriedener Ökostrom-Verbraucher.
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