: Klimaschutz blockiert
Verhandlungen von Industrie, Politik und Umweltgruppen über den Handel mit Emissionslizenzen in der Sackgasse. Industrie gegen konkrete Quoten
von BERNHARD PÖTTER
Die Verhandlungen zwischen der deutschen Industrie, der Politik und Umweltschutzgruppen über den Handel mit CO2-Lizenzen sind vorerst gescheitert. Am Donnerstagabend stellte das federführende Umweltministerium fest, die Sitzungen der „Arbeitsgemeinschaft Emissionshandel“ würden in der jetzigen Form nicht weitergeführt. Eine Einigung sei nicht in Sicht.
Die Gespräche gingen weiter, betonte gestern der Sprecher des Umweltministeriums, Michael Schroeren. Allerdings sei die bisherige Struktur „nicht brauchbar.“ Es sei bedauerlich, dass einige Unternehmen den Konsens über den Emissionshandel aufgekündigt hätten. In Zukunft würden konstruktive Unternehmen weiter einbezogen, „für die anderen sind die Treffen weiter offen“. Die Umweltverbände WWF und Germanwatch warfen Vertretern von BASF und dem Verband der chemischen Industrie (VCI) eine Blockade vor. Ein Konsens müsse ernst gemeint sein und dürfe nicht nur eine „destruktive Klimaschutzpolitik“ verfolgen, sagte Christoph Bals von Germanwatch. Vertreter von BASF und vom VCI waren gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.
Hintergrund für den Eklat ist ein Vorschlag der EU-Kommission für ein europaweites System zum Emissionshandel. Er sieht vor, die Verpflichtungen zum Klimaschutz aus dem Kioto-Protokoll, die bisher nur auf staatlicher Ebene bestehen, auf die einzelnen Unternehmen zuzuschneiden und verbindlich zu machen. Ab 2005 sollten dann CO2-Obergrenzen für jedes Kraftwerk und jede Fabrik feststehen. Blasen die Firmen mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre, müssen sie sich die Lizenz dazu von anderen Firmen in Europa erkaufen. Belasten sie die Umwelt weniger, können sie mit ihren Lizenzen handeln.
Dieser Vorschlag der Kommission, der in einzelnen EU-Ländern bereits teilweise umgesetzt wird, sollte in der Arbeitsgemeinschaft diskutiert werden. Doch die insgesamt etwa 50 Vertreter von Firmen und Branchen konnten sich untereinander und mit den etwa zehn Vertretern von Politik und Umweltgruppen nicht einigen. „Einige Unternehmen wie BP, Shell, Ruhrgas oder HEW haben durchaus konstruktiv verhandelt“, sagt Christoph Bals. Andere Konzerne wie BASF, RWE, VAW oder Eon dagegen hatten sich in den letzten Wochen in einer Anzeigenkampagne beklagt, eine solche Regelung in Deutschland verschlechtere ihre Wettbewebsposition und sei abzulehnen. Die Unternehmen machten außerdem in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder Druck auf das Kanzleramt, den Emissionshandel zu bremsen.
„Die Strategie ist die gleiche wie bei der Ökosteuer Anfang der Neunzigerjahre“, sagt der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Reinhard Loske. „Die deutsche Regierung soll dazu gebracht werden, diese Maßnahme zu Hause zu unterlassen und sich in Brüssel querzulegen.“ Die Wirtschaft wolle um jeden Preis an ihrer Selbstverpflichtung zum Klimaschutz festhalten. Diese aber sieht nur eine Verpflichtung der Branche, nicht der einzelnen Unternehmen vor. Außerdem werden die Emissionsgrenzen nur relativ je nach produzierten Gütern und nicht absolut angegeben. Steigt die Produktion, steigt somit auch die Klimabelastung.
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