: Spritzmittel verduftet schnell
Im Sommer wehte es Pflanzengift über Vorpommerns Äcker und Gärten. Nach der ersten Aufregung wollen alle fehlerlos gehandelt haben. Deshalb haben die Biobauern die Einkommensausfälle zu tragen. Klagen versprechen wenig Erfolg
von STEFAN WEILGUNY
Der schwarze Peter macht die Runde und am Ende hat ihn Bio-Bauer Willy Götz. Das kostet ihn 30.000 Mark. Alle anderen haben im Nachhinein alles richtig gemacht im sommerlichen Spritzmittelskandal: Das Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern, der Chemie-Riese Syngenta, die Öko-Siegel-Kontrolle, auch sein Nachbar mit der Agrarfabrik. Nur der Betrieb von Götz in Steinfurth (Vorpommern) kämpft jetzt ums Überleben.
Alles fing damit an, dass sich zur besten Erntezeit ein Teil seiner Pflanzen gelblich-weiß verfärbt. Zunächst ist der Landwirt ratlos. Dann aber gelangt ein ähnlicher Fall aus dem Nachbarort Klein Jasedow an die Öffentlichkeit: Wegen ungünstiger Windverhältnisse hatte das von einem großen Agrarbetrieb ausgebrachte Herbizid Brasan auf einen Öko-Kräutergarten übergegriffen und die Ernte vernichtet. Götz fragt bei seinem Nachbarn nach. Der sagt, auch er habe das Pflanzengift Brasan gespritzt. Das Mittel enthält den Wirkstoff Clomazone und wird vor allem im Winterrapsanbau gegen Unkraut verwendet.
Willy Götz fürchtet um die Unbedenklichkeit seiner Öko-Produkte und meldet den Vorfall am 20. September an das zuständige Ordnungsamt, Lebensmittelamt und Pflanzenschutzamt. Außerdem informiert er die Öko-Kontrollstelle, die seinen Betrieb auf die Einhaltung von EU-Normen hin überwacht und Götz jährlich das Öko-Siegel verleiht. Acht Tage später verbietet ihm die Kontrollstelle in Absprache mit dem Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern, sein Obst und Gemüse als Öko-Fabrikat zu verkaufen. Das Ministerium empfiehlt, die Produkte vorsorglich nicht zu essen. Mitten in der Erntezeit bedeutet das für den Selbstvermarkter Willy Götz einen schweren Schlag.
Umgehend führt der Brasan-Hersteller Syngenta Bodenproben durch, zusammen mit dem Landesamt für Pflanzenschutz. Doch die Chemiefirma weiß, dass man keine überhöhten Werte feststellen wird. „Clomazone baut sich im Boden rasch ab. In Kombination mit der geringen Spritzmenge von 12 mg pro Quadratmeter sind Rückstände bereits kurze Zeit nach einer Anwendung nicht mehr bestimmbar“, sagt Syngenta-Pressesprecher Peter Hefner. Am 25. September liegen die Ergebnisse auf dem Tisch: Clomazone konnte im Boden nicht nachgewiesen werden. Doch erst ab 30. Oktober darf Willy Götz wieder verkaufen. Die Ernte ist vorbei, ein Drittel der früheren Kunden bleibt weg, entstandener Schaden: 30.000 Mark – etwa ein Drittel seines Jahresumsatzes.
Willy Götz will seinen Schaden ersetzt. Aber von wem soll er die Summe fordern? Von seinem Nachbarn, der das Pflanzengift gespritzt hat? Dem hat das Landwirtschaftsministerium bestätigt, dass er beim Spritzen nicht gegen die gute fachliche Praxis verstoßen hat. So genannte Abdriftschäden seien durch die Bodenproben nicht nachweisbar. Soll Landwirt Willy Götz also den Chemie-Riesen Syngenta verklagen? Einen weltweit agierenden Konzern mit einem Jahresumsatz von knapp 14 Milliarden Mark? „Die pflastern mich mit Gutachten zu“, meint Götz. „das wird Jahre dauern.“
Bleibt das Land. Doch auch dort ist man vorbereitet: „Wir haben zwar empfohlen, diese Produkte vorerst nicht zu verzehren. Aber wir haben nicht davor gewarnt. So sind wir juristisch nicht schadenersatzpflichtig“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Götz will trotzdem klagen, wohl als Einziger von 50 Schadensmeldungen. Nun ist er auf der Suche nach Geldgebern, die ihm 10.000 Mark an Gerichtskosten vorstrecken. „Risikokapital“, sagt Götz.
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