piwik no script img

Bergjagd auf die Reste von al-Qaida

US-amerikanische und afghanische Truppen durchkämmen die Berge um Tora Bora nach den Resten der Terrororganisation. Colin Powell betont, es gebe auch außerhalb Afghanistans zu vernichtende Zentren von al-Qaida

TORA BORA ap/rtr/taz ■ Nach dem Sturm der Bergfestung Tora Bora haben Kämpfer der afghanischen Ostallianz und US-Soldaten gestern die Verfolgung flüchtender Al-Qaida-Mitglieder verstärkt. Die US-Luftwaffe bombardierte mögliche Fluchtwege. Zahlreiche Al-Qaida-Kämpfer wurden gefangen genommen. Von Ussama Bin Laden gab es jedoch keine Spur.

Der Oberbefehlshaber des Afghanistan-Einsatzes der USA, General Tommy Franks, sagte im Sender ABC, US-Soldaten und Kämpfer der Ostallianz würden jetzt alle Schluchten und jede Höhle gründlich durchsuchen. Die Taliban-Gegner hätten noch nicht das ganze Gebiet um Tora Bora unter Kontrolle. Truppen der Allianz lieferten sich in der Nacht zum Montag Gefechte mit den Flüchtenden. Mehr als 200 ausländische Kämpfer der al-Qaida wurden den Angaben zufolge bislang getötet, darunter seien auch Frauen und Kinder gewesen, offenbar Angehörige der Al-Qaida-Mitglieder.

Weinende gefangene Al-Qaida-Kämpfer bettelten ihre afghanischen Bewacher an, sie nicht an US-Truppen zu übergeben, wurde aus der Kampfregion berichtet. Eine afghanische Miliz paradierte achtzehn Gefangene durch ein Dorf. Manche waren verwundet, andere hatten die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Die Gefangenen, die auf Eseln durch den Schnee aus den Bergen heruntergebracht worden waren, berichteten von zahlreichen weiteren Flüchtenden in den Wäldern. Bin Laden hätten sie allerdings seit rund einem Monat nicht mehr gesehen.

Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar wurde neuen Berichten zufolge westlich von Kandahar vermutet. Hadschi Gulalai, der Geheimdienstchef des Kommandeurs von Kandahar, erklärte, Mullah Omar befinde sich mit hunderten Kämpfern in Baghran, rund 160 Kilometer nordwestlich von Kandahar. Zuvor hatte der frühere Taliban-Finanzminister Mullah Agha Jan Mutasim das Ende der Bewegung verkündet. Omar sei an einem geheimen Ort, sagte er der afghanischen Nachrichtenagentur AIP zufolge. Wo sich Bin Laden befinde, wisse er nicht.

Die Suche nach Bin Laden könne noch Jahre dauern, erklärte US-Außenminister Colin Powell. Auch der Kampf gegen al-Qaida sei mit der Einnahme von Tora Bora nicht beendet. Al-Qaida sei zwar in Afghanistan weitgehend zerstört, weltweit müssten aber noch viele Zentren der Organisation vernichtet werden, sagte Powell dem Sender NBC. In Somalia, das als ein mögliches Ziel einer US-Aktion gilt, sagte Übergangspremierminister Hassan Abshir Farah, ein US-Militärangriff sei unwahrscheinlich. Es gebe keine Ziele in dem ostafrikanischen Land, die sich anzugreifen lohnte, sagte Farah gestern. In Somalia gebe es keine Stützpunkte der al-Qaida. Auch sei keine „terroristische Infrastruktur“ vorhanden. Am Donnerstag hatten zwei US-Kampfhubschrauber nach Augenzeugenberichten ein Gebiet in der Nähe der somalischen Hauptstadt Mogadischu überflogen und damit Spekulationen über einen bald bevorstehenden Militäreinsatz der USA genährt.

Nach Italien und Großbritannien eröffneten die USA und die Türkei gestern ihre Botschaften in Kabul wieder. Marineinfanteristen zogen zum Klang der US-Hymne die Flagge auf, die über der US-Botschaft am Tag ihrer Evakuierung am 31. Januar 1989 geweht hatte. Der türkische Außenminister Ismail Cem bot der afghanischen Übergangsregierung bei einem Besuch in Kabul Unterstützung bei der Neuorganisation von Militär und Polizei an. Man habe aber nicht die Absicht, Afghanistan „etwas aufzuzwingen“, sagte Cem.

Russland, Großbritannien und Iran hatten nach der Einnahme Kabuls durch Anti-Taliban-Kämpfer bereits Diplomaten nach Afghanistan entsandt. Im Gebäude der deutschen Botschaft bereitet ein Verbindungsbüro die Wiedereröffnung der Vertretung in Kabul vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen