: Von Mäusen und Menschen bei „Hair“
■ Haarige Angelegenheit: Zur Musical-Zukunft schweigt der Geschäftsführer wortreich
Im Musical-Theater am Richtweg denkt man aufgrund nachlassender Besucherzahlen über Lohnkürzungen nach. Im besucherschwachen Januar sollen die Mitarbeiter 10 Prozent weniger Gehalt bekommen. Gegenwärtig heißt es, dass das Theater nur zu zwei Dritteln ausgelastet sei.
Soweit die Meldung. Da möchte man doch Genaueres wissen. Zum Beispiel, was passieren muss, damit tatsächlich Lohn gekürzt wird. Und was der Betriebsrat dazu sagt. Und ob das mit der Auslastung wirklich stimmt. Anfang November soll sie ja nur bei 20 Prozent gelegen haben
Also, fragen wir nach. Am besten bei Musical-Theater-Geschäftsführer René Meyer-Brede selbst. Drei Fragen, frei von der Leber weg. „Für diese drei Fragen gibt es keine Grundlage“, sagt Meyer-Brede. Wie, alles Falschmeldungen?
„Fakt ist“, sagt Meyer-Brede, „dass hier 110 Mitarbeiter seit 14. September ihr Bestes versuchen.“ Und dass sie ein erstklassiges Produkt auf die Bühne gestellt hätten. Und dass sie sich wie eine Familie fühlten. Und dass sie alle weiter machen wollten. Und dass alle in einem Boot säßen. Und so weiter.
Da redet einer möglichst viel um möglichst wenig zu sagen – oder? Wer weiterbohrt, erfährt: „Wir, die Mitarbeiter, diskutieren Varianten mit einem einmaligen Lohnverzicht, um über den schwierigen Monat zu kommen. Ein einseitiger Lohnverzicht kommt dabei nicht in Frage. Es handelt sich um ein gemeinschaftliches Bemühen der Gesellschafter und Mitarbeiter.“ Es gibt sie also doch, die Idee der Lohnkürzung. Aber so, wie Meyer-Brede darüber redet, ist sie keine schlechte Idee. Alle umarmen sich und verzichten solidarisch auf einen Teil ihres Gehalts.
Und die Auslastung? Meyer-Brede schweigt eisern. Aber sie entscheidet doch über die Höhe des Mieterlasses seitens der Stadt für die Immobilie am Richtweg – oder? „Die Auslastung entscheidet nicht darüber, ob Geld von der Stadt kommt.“ Meyer-Brede wird sauer. Und: „Wir sind keine Kostgänger der Stadt!“ Jetzt erklärt er alles, was „niemand in dieser Stadt kapiert“. Und zwar per Zuckerbrot und Peitsche: Von Verbrüderungstaktik (“Stellen Sie sich vor, Sie und ich leiten ein Theater...“) bis zu Schelte (“Sie verstehen das einfach nicht. Ist denn das so schwer zu verstehen?“).
Nur noch eine Frage, Herr Meyer-Brede: Wie erwarten Sie denn nächstes Jahr von der Stadt? Der Geschäftsführer: „Ein klares Bekenntnis dazu, dass dieses Haus eine Rolle im Stadtmarketing und in der Kulturpolitik spielen muss.“ Mit Bekenntnissen lassen sich aber doch keine Löhne zahlen – oder? Meyer-Brede: „Geld kann erst dann eine Rolle spielen, wenn man Verlässlichkeit hat.“ Will Meyer-Brede da etwa auf ein Bekenntnis zu einem verlässlichen Blankoscheck hinaus?
Bravo, endlich mal was wirklich Neues von unserem Lieblings-Musical „Hair“: Die Kunst, das Kind nicht beim Namen zu nennen. Dafür sollte die Stadt von ganz alleine die ein- oder andere Million übrig haben. Klaus Irler
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