Weggewedelt und versemmelt

„Die Affäre Semmeling“: Hamburgs Politik war nicht besonders angetan  ■ Von Peter Ahrens

Wer gucken konnte, hat geguckt. Hamburgs Politik saß am Mittwochabend vorm Fernseher, um sich anzuschauen, was Dieter Wedel aus ihr gemacht hat. Der erste Teil des groß angekündigten ZDF-Mehrteilers „Affäre Semmeling“ sollte ein rea-listisches Abbild zeichnen, wie es hinter den Kulissen des Hamburger Rathauses zugeht und bot letztlich doch nur bekannte Klischees von der korrupten Politkaste.

Am gnädigsten ging noch CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit der Wedelschen Sicht von Politik um – kein Wunder, denn bei den Semmelings werden vor allem die Sozis aufs Korn genommen, die in dem Mehrteiler noch in bewährter Selbstherrlichkeit regieren. „Die Hektik, der Stress, das Taktieren – da ist der Bezug zur Realität unverkennbar“, fasste von Beust, der sich den Mittwochabend extra fürs Puschenkino frei genommen hatte, zusammen. Allerdings musste auch der Bürgermeister anschließend einräumen: „Die Intrigen und das Mobbing zum Beispiel haben mit der politischen Realität, wie ich sie kenne, wenig zu tun.“

Die GAL-Frau darf im Kreis von Parteifreundinnen nicht erzählen, dass sie von Türken überfallen wurde, ohne ihre Wahlchancen zu mindern, alle Grünen laufen ohnehin grundsätzlich mit Wollpullovern durchs kalte Hamburg. Der Immobilienhai schiebt die Tausender in bar mal eben über den Tisch, um den Bürgermeister zu bestechen, und alle Referenten sitzen als Augenzeugen mit am Tisch – eine Szene, für die Ex-Bürgermeister Henning Voscherau Wedel „die Juristen auf den Hals“ geschickt hätte, wenn er sie mit dessen richtigem Namen verknüpft hätte. Hat er aber nicht: Henning V. heißt im Film Hennig und wirkt dort ohnehin so sympathisch und von Selbstzweifeln geplagt, dass das für eine prominente Hamburger Grüne „zum Unrealistischsten der ganzen Handlung“ zählte. „Schade, dass der Film dieses Bild von den korrupten Politikern transportiert“, bedauert auch SPD-Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt, die aber zumindest die Handlung „spannend erzählt“ fand.

Ohnehin sind die Sozialdemokraten logischerweise wenig begeistert von Wedels Welt. Ex-Bürgermeister Ortwin Runde, der noch bei den Dreharbeiten im Rathaus stolz mit Wedel gemeinsam eine Pressekonferenz gegeben hatte, bilanzierte: „So stellt Klein-Fritzchen sich die große Politik vor“, und der ewige Bausenator Beton-Eugen Wagner, Pate für den filmischen „Beton-Walter Wegener“ Mario Adorf, hält das Ganze ohnehin nicht für ein Abbild der Wirklichkeit. Wagner hat sich den ersten Teil nicht angeschaut, stattdessen auf Video aufgenommen. Dort wird er auch den Satz Adorfs zu hören bekommen, der zu den wirklichkeitsnächsten im Drehbuch gehörte: „Ich bin nicht der Bürgermeister, ich mache Bürgermeister.“

Für Heike Sudmann, Ex-Spitzenkandidatin des Regenbogen, war nicht alles überzogen: „Manche Szenen waren genauso platt, wie ich mir das Leben eines Sozialdemokraten vorstelle.“