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Hilfspolizei mit der Betacam

■ Private Kameraleute liefern Bilder von Demos von sich aus an die Polizei. Das Prinzip heißt: Eine Hand wäscht die andere; die Polizei revanchiert sich mit Tipps, wo es Blut zu drehen gibt

Olaf Kretschmar staunte nicht schlecht. Am Rande einer Demonstration gegen Abschiebungen sprach ihn ein behelmter Polizist an: „Sie wollten mir doch noch Ihre Karte geben.“ „Ich? Wieso?“, antwortete der Redakteur von buten un binnen ehrlich überrascht. „Wegen der Bilder. Sie wollten mir doch das Beweismaterial schicken. Ach nee, das war ja der da drüben. Der hat ja auch so ne rote Jacke an.“ Nur eine Verwechslung.

Gemeint war der Kameramann Andreas Aussem, an diesem Tag für die Bremer Produktionsfirma Television Aktuell (TVA) unterwegs. Er hatte sich dem Einsatzleiter vorher mit den Worten angedient: „Wenn Sie mal Archivmaterial brauchen ...“ Gegenüber der taz bestätigt Aussem später: „Ich mache denen immer Prints fertig.“ Das geht praktisch zu hause am eigenen Rechner. Dafür gibt es dann im Austausch „mal n' Tip“. Er bekomme öfters Anrufe von Polizei oder Feuerwehr, wenn irgendwo was los sei – „darauf bin ich in dem Geschäft auch angewiesen.“ Es gehe nach dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere.“

Wie man Hände wäscht, wird am konkreten Beispiel deutlich: Bei der nicht angemeldeten Demonstration in den frühen Morgenstunden war es ziemlich dunkel. Polizeiliche Filmer hätten mit ihren Videokameras wohl nur unterdurchschnittliche Bilder liefern können. Eine professionelle Beta-Kamera mit leistungsfähigem Scheinwerfer bringt dagegen Licht ins Dunkel. Und siehe da: „Die wollten wissen, wer da alles mit bei war“, bestätigt Aussem das Interesse der Polizei.

TVA-Inhaber Jörg Wohlgemuth fällt bei solchen Aussagen fast hinten über, distanziert sich vom vorauseilenden Gehorsam seines freien Mitarbeiters. „Ich verurteile so ein Verhalten. Das widerspricht ganz klar unseren Leitlinien.“ Wenn so etwas passiere, dann ohne Wissen der Firma. TVA sei zwar an einer „guten Zusammenarbeit“ interessiert, aber: „Ich wehre mich vehement dagegen, der Polizei zuzuarbeiten.“ Offiziell habe die Polizei bei TVA allerdings noch in keinem Fall Demo-Bilder angefragt. Etwas anderes sei das nur, wenn ein konkreter Straftatverdacht vorliege. „Dann hätte ich kein Problem, die Polizei zu unterstützen, aber alles andere ist tabu.“

Das Gesetz der Straße geht anders: Wer als erster vor Ort ist, verkauft seine Bilder. Nichts besonderes ist die allzu enge Zusammenarbeit mit der Polizei deshalb auch beim TVA-Konkurrenten Radio-Tele-Commercial (RTC), in der Branche gern „Leichenfledderer“ geschmäht. Kameramann Gerrit Schröder, für die Hamburger Firma unterwegs, bestätigt: „Wir machen das öfter mal – gerade bei Demos.“ Da komme von der Polizei schon mal die Anfrage: „Wenn ihr die Gesichter close habt, können wir da vielleicht was mitnehmen?“ Kein Problem, wer sagt schon nein, wenn ein Tipp der Polizei bares Geld wert sein kann? Zumal man bei RTC auch schon weniger angenehme Kontakte mit den Ordnungshütern hatte: Im letzten Jahr fiel ein RTC-Kameramann in Bremen dadurch auf, dass er immer als erster am Unfallort war. In seinem Auto fand sich ein Polizeifunk-Scanner – 1.500 Mark Geldbuße.

Erst im vergangenen Jahr wurde das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten per Gesetz erweitert: Selbst bei konkreten Vergehen im Rahmen von Demonstrationen können sie seitdem die Herausgabe ihres Materials verweigern. Aber so lange auf der Straße nach Wildwest-Methoden gearbeitet wird, nützt das dem angestrebten Schutz der Bürgerrechte nichts. Für Demonstranten darf es mit Fug und Recht weiterhin heißen: Vorsicht, Kamera!

Jan Kahlcke

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