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Das Zweite stellt die K-Frage

Und die lautet: Wie viel Kerner braucht die Welt? Vier pro Woche, meint das ZDF und schickt seinen Tausendsassa Johannes Baptist ab heute von Dienstag bis Freitag immer gegen 23 Uhr ins Rennen

Der Mann weiß im Voraus: „Das ZDF gewinnt, Kerner verliert“

von ALEXANDER KÜHN

Leicht gefallen ist ihm die Entscheidung nicht. Aber einen Tod muss man sterben, und so hat Johannes B. Kerner sich schweren Herzens entschlossen, nicht nach Salt Lake City zu reisen und lieber den Kollegen die Olympia-Berichterstattung zu überlassen. Das ist ganz vernünftig so, denn ab heute muss er sich auf seinen neuen Job konzentrieren: offizielles Aushängeschild des ZDF.

Nachdem RTL bereits 1992 mit Thomas Gottschalk eine täglichen Late Show zu etablieren versuchte, was Sat.1 ab Dezember 1995 mit Harald Schmidt schließlich gelungen ist, dem Stefan Raab es seit vergangenem Jahr auf Pro 7 gleichzutun versucht – nach all dem hat sich nun auch das ZDF dazu durchgerungen, einen viermalwöchentlichen Spättalk zu wagen.

Was Neues erfinden wollten die Mainzer gewohnheitsmäßig nicht, und so beschlossen sie, ihren erfolgreichsten Talker mit erprobtem Format fast täglich ins Rennen zu schicken. Der heißt Johannes und Baptist mit Vornamen, kam im vergangenen Jahr auf eine durchschnittliche Quote von 19 Prozent und ließ damit Bio und Beckmann hinter sich.

Weil klar ist, dass die Quoten mit der Vervierfachung schlechter werden, sagt der 37-Jährige schon im Voraus, dass das klar sei und erläutert: „Das ZDF gewinnt, Kerner verliert.“ Sprich: Am traditionellen Kernertag Donnerstag werde er Zuschauer verlieren. Dienstags, mittwochs und freitags, so hofft er, werden jedoch mehr Leute das Zweite einschalten. Ändern soll sich nichts, außer dass das ZDF seine Korrespondenten angewiesen hat, Kerners Talk regelmäßig mit aktuellen Beiträgen aufzuwerten. Die ersten paar Tage werden quotenmäßig noch kein Maßstab sein. Erst wenn eine Weile ins Land gezogen ist, werden sich die Auswirkungen des vierfachen Kerners zeigen. Vielleicht stellt sich heraus, dass er es bei einmal hätte belassen sollen. Bei Stefan Raab fällt schließlich auch immer mehr auf, dass er nicht genug Material findet und oft als einziger über seine Witze lacht.

Johannes B. Kerner macht erst gar keine Witze. Als 1998 seine Talkshow beim ZDF startete, da wollte er noch spaßig sein. Sobald er es bleiben ließ, kam der Erfolg. Und die Nation begann, sich in zwei Gruppen zu spalten. In jene, die Kerner gut finden, weil er nett wie Biolek ist, höflich wie Elstner, schwiegersöhnlich wie Jauch – und solche, die ihn aus denselben Gründen brechmittelig finden.

Interessant ist jedoch, dass Kerner (wie sein ARD-Pendant Beckmann) den ungewöhnlichen Karriereweg gegangen ist, also von den Privaten zu den Öffentlich-Rechtlichen wechselte. Bei Sat.1 durfte er früher auch täglich talken, allerdings vormittags und nur mit Dumpfbacken. Gleichzeitig profilierte er sich jedoch als Sportmoderator und wechselte schließlich zum ZDF.

Kerner selbst wird zum Erfolg oder Misserfolg seiner Sendung das Wenigste beitragen können. Denn wer ihn einmal wöchentlich hasst, der wird es auch viermal tun – und wer ihn mag, wird ihn weiterhin gut finden.

Worauf es ankommt, ist die Arbeit hinter den Kulissen. Das Team wurde aufgestockt von sechs auf 15 Redakteure. 450 Leute haben sich für diese neun Stellen beworben, erzählt Kerner, vor allem Journalisten aus dem Printbereich. Sicherlich findet die Redaktion in der Anfangszeit noch interessante und prominente Gäste, aber irgendwann wird es bestimmt dünner.

Am Dienstag noch nicht. Da füllt Helmut Kohl die Sendzeit und das Studio aus. „Fragen Sie alles, was Sie wissen wollen“, habe der Alte ihm beim Vorgespräch in seiner Wohnung gesagt, berichtet Kerner. Ob er auch Antworten gibt, ließ Kohl wohl offen. Als JBK den Oggersheimer wieder verließ, rief der aus dem Türrahmen: „Bin ich jetzt Birne oder Denkmal? Wir werden’s rauskriegen, Herr Kerner.“ Und apropos Birne: Weil es bekanntlich keinen echten Kerner-Artikel geben darf ohne das Zitat aus der Süddeutschen Zeitung, Kerner sei eine „menschgewordene Erdnuss“, steht dies auch hier.

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