: „Flierl programmatischer Kulturdenker“
Reaktionen auf neuen Kultursenator der PDS abwartend positiv. Gysi als Wirtschaftssenator steht in der Kritik
Christoph Stölzl gibt sich pragmatisch. Der ehemalige Berliner Kultursenator begrüßte gestern die Ernennung von Thomas Flierl (PDS) zum neuen Kultur- und Wissenschaftssenator. Es sei sowieso fraglich, ob der Kulturetat „für irgend eine Art Programm überhaupt etwas hergibt“. Flierl halte er aber ansonsten für „einen programmatischen Kulturdenker“, der begründen könne, was er tue. „Ob es uns gefällt, was er tut, werden wir sehen“, so Stölzl.
Auch Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) hat kein Problem mit einem zukünftigen Berliner Kultursenator von der PDS. Es gehe um sachliche Fragen der Kulturpolitik und dabei sollte die parteipolitische Färbung keine Rolle spielen.
Umstrittener ist da schon Gregor Gysi, der designierte Wirtschaftssenator der PDS. Während der gestern davon sprach, „ideologische Vorbehalte“ ausräumen zu wollen, wurde er vom ehemaligen Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) scharf kritisiert: In einer Phase der Rezession sei eine Benennung von „Herrn Gysi“ zum Wirtschaftssenator für die Stadt ein zusätzliches Risiko. Diepgen sagte auch, ein Großteil der Bürger sehe in der Personalentscheidung ein „Experiment sehr zum Nachteil Berlins“.
Gysi will dagegen „möglichst viele Investoren“ an die Stadt binden. Denn wer keine Investoren wolle, wolle letztlich auch keine Arbeitsplätze und verhalte sich damit unsozial, erklärte der PDS-Politiker gestern seine zukünftige Politik. Seine Arbeit bestünde deswegen darin, das Kapital nach Berlin zu holen.
Das Personal der neuen Koalition formt sich also, auch wenn die PDS noch immer krampfhaft auf der Suche nach einer Frau für den Posten der Sozialsenatorin ist. Und während Berlin so langsam zur Normalität zurückkehrt, gibt es immer noch kritische Reaktionen auf den Koalitionsbeschluss. Eine „Kulturkatastrophe“ in der Hauptstadt befürchtet etwa Günter Kunert, Schriftsteller und ehemaliger DDR-Bürger, der nach der Biermann-Ausweisung 1979 in den Westen übersiedelte. Denn was, so fragte der Autor, habe die PDS noch mit Demokratie zu tun?
Selbst das Ausland befasste sich mit der neuen Berliner Koalition. „Ein roter Charmeur machte Ex-Kommunisten salonfähig“ spottet etwa die holländische Zeitung De Volkskrant über Gysi, der jetzt als Exkommunist in den USA Investoren für die Not leidende deutsche Hauptstadt anlocken müsse. Die russische Tageszeitung Iswestija befürchtet dagegen den Untergang des Abendlandes: „Die deutsche Hauptstadt fällt“, schrieb sie gestern über die „skandalöse“ Koalition mit den „direkten Nachfolgern Erich Honeckers“. Der Fall Berlins bedeute aber nicht, dass ganz Deutschland abgleite. Zum Glück! SUSANNE AMANN
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