piwik no script img

„Das Urteil bleibt nur ein Stück Papier“

■ Beleihungsgesetz: Richterspruch dürfte nur geringe Auswirkungen in der Praxis haben

Alle Parteien schienen zufrieden mit dem Urteil des Staatsgerichtshofs zum Beleihungsgesetz. Was heißt es aber für die Praxis? Die taz fragte Dian Schefold, Bremer Professor für öffentliches Recht, der für die Fraktion der klagenden Grünen das Rechtsgutachten über die Privatisierung öffentlicher Aufgaben in Verbindung mit Beleihung erstellt hat. Außerdem vertrat er die Kläger vor Gericht.

taz: Was heißt eigentlich „Beleihung“?

Dian Schefold: Der Ausdruck bezeichnet die Übertragung öffentlicher Aufgaben und Handlungen an Private, und zwar im Namen der Beliehenen. So etwas gibt es häufig: Man denke an die Emissionsschutzmessungen von Schornsteinfegern – eigentlich sind das auch hoheitliche Aufgaben.

Der Staatsgerichtshof scheint es mit seinem Urteil allen recht gemacht zu haben. Freuen Sie sich auch?

Es ist typisch, dass sich nach einer solchen Entscheidung jeder als Sieger fühlt. Der Senat, weil sein Beleihungsgesetz gerettet ist, die Grünen, weil sie Bonbons bekommen haben. Fragt sich nur, wie groß die sind. Es wird schwierig sein, das Urteil in die Tat umzusetzen.

Etwas konkreter, bitte.

Wenn der Staatsgerichtshof eine effektive Fachaufsicht beispielsweise für die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) fordert, muss die Verwaltung dafür personelle Kapazitäten freisetzen. Das dürfte enorme finanzielle Auswirkungen haben.

Wie stark müsste denn die neue Aufsichtsabteilung des Finanzsenators sein?

Das können keine ungelernten Hilfskräfte machen, man braucht fachlich qualifizierte Verwaltungsbeamte. Ich schätze, dass allein für die Aufsicht der BIG mindestens zehn oder 20 Leute erforderlich sein dürften.

Eigentlich sollte 1998 mit dem Beleihungsgesetz doch Geld gespart werden.

Das ist die Crux. Das Urteil dürfte die Kosten-Nutzen-Rechnung des Senats auf den Kopf stellen. Solange es eine große Bremer Koalition gibt, dürfte sich auch in der Bürgerschaft keine Mehrheit finden, die sich für ein angemessene Handhabe der Fachaufsicht einsetzt. Es ist also zu befürchten, dass das Urteil des Staatsgerichtshofs nur ein Stück Papier bleibt. Deshalb dürfte bald ein neuer Rechtsstreit entstehen.

Mit Aussicht auf Erfolg?

Da bin ich sehr skeptisch. Die Kriterien für eine umfassende Fachaufsicht sind sehr schwer zu fassen.

Gibt es denn keine Präzedenzfälle?

Nein. Die Verbindung von Privatisierung und Beleihung im Bremer Gesetz ist bundesweit einzigartig.

Hat dann das Urteil überhaupt Auswirkungen auf die Tätigkeit der Bremer GmbHs?

Ja. Es führt dazu, dass der Finanzsenator nun einen stärkeren Rechtfertigungszwang gegenüber dem Parlament hat. Beispiel: Eine Firma legt nach erfolglosem Widerspruch gegen einen Förderbescheid der BIG Dienstaufsichtsbeschwerde beim Finanzsenator ein. Nun dürfte das Parlament einen besseren Zugang zu diesen Vorgängen haben. Insofern gibt es mehr parlamentarischeund dann auch rechtliche Kontrolle.

Kai Schöneberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen