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Die unberechenbare Liberale

Karin Schubert (SPD) wird Justizsenatorin und Bürgermeisterin der rot-roten Koalition. Zuvor war sie acht Jahre lang Justizministerin in Sachsen-Anhalt, hatte dort aber keine Perspektive mehr

von PLUTONIA PLARRE

Die einen loben sie in den höchsten Tönen. Andere halten sie für die absolute Enttäuschung. Die Meinungen über die 57-jährige Karin Schubert (SPD) könnten kaum unterschiedlicher sein. Heute wird die langjährige Justizministerin von Sachsen-Anhalt im rot-roten Berliner Senat den Posten der Justizsenatorin übernehmen.

Aber nicht nur, was ihre Fähigkeiten angeht, wird die resolute Frau von vielen als Mogelpackung empfunden: „Ostbiografie heißt für mich nicht, wo man geboren ist, sondern wo man gelebt hat“, kritisiert der SPD-Kreisvorsitzende von Pankow, Ralf Hillenberg, dass seine Partei keinen richtigen Ostler in den Senat geschickt hat.

Karin Schubert ist in Erfurt geboren. Im Alter von fünfzehn Jahren zog sie nach Nordrhein-Westfalen, wo sie später Jura studierte und an verschiedenen Gerichten als Richterin arbeitete. Nach der Wende kehrte die Mutter von zwei Kindern in den Osten zurück. 1991 wurde sie Präsidentin des Landgerichts Neu-Brandenburg, seit 1994 gehörte sie als Ministerin in Mageburg dem Kabinett von Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) an.

Mit annähernd acht Jahren Amtszeit ist Schubert Deutschlands dienstälteste Justizminsterin. Böse Zungen munkeln, sie sei schon lange auf dem Sprung in die Hauptstadt, weil der Weg von ihrem Eigenheim in Neubrandenburg nach Berlin nicht so weit sei wie nach Madeburg. Nachdem es mit der Ernennung zur Verwaltungschefin des Bundesrats nicht geklappt hat, sei der Ruf in den Berliner Senat gerade recht gekommen.

In Berliner Justizkreisen ist man über die Neue alles andere als glücklich. Die Sachsen-Anhalt-müde Schubert, die nach den Landtagswahlen in diesem Frühjahr keine Chance hätte, erneut als Ministerin aufgestellt zu werden, wird als „Versorgungsfall“ angesehen. „Und nun wird sie auch noch Bürgermeisterin, nur weil sie die einzige SPD-Frau im Senat ist“, stöhnt eine Richterin. Wenn die marode Berliner Justiz etwas brauche, dann einen unverbrauchten, dynamischen Menschen, der Aufbruchsstimmung verkörpere.

Schubert sei keine dritte Wahl, weist der SPD-Rechtsexperte, Klaus-Uwe Benneter, Kritik entrüstet zurück: „Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, hat sie in den höchsten Tönen empfohlen.“ Schubert sei eine Frau, „die Reformen will und nach vorn bringt“, sagt ein Justizkenner mit Verweis auf das neue Justizzentrum in Halle. Auch von der PDS, die ihr Okay zur Besetzung des Justizressorts geben musste, wird die Neue für einen absoluten Zugewinn gehalten. „Sie wird das Profil der Koalition für innere Liberalität deutlich herausstreichen“, ist sich PDS-Fraktionschef Harald Wolf sicher.

Richtig ist, dass Schubert in rechts- und innenpolitischen Fragen eher mit der PDS und den Grünen an einem Strang zieht als mit SPDlern wie dem Bundesinnenminister Otto Schily. So warnte sie nach den Anschlägen vom 11. September in den USA vor vorschnellen Gesetzesverschärfungen und einer Aushöhlung der Grundrechte. Auch von KollegInnen der Justizministerkonferenz wird Schubert als kompetente Frau mit klaren, liberalen Positionen und einem fairen Umgangsstil beschrieben.

Aus Sachsen-Anhalt sind ganz andere Töne zu hören. „Sie sonnt sich in der großen Politik, und zu Hause bleiben die Dinge liegen“, beschreibt der Landtagsvizepräsident und frühere CDU-Justizminister Walter Remmers die Lage. Außerhalb der Landesgrenzen werde Schubert hemmungslos überschätzt, weil die Opposition die Schwächen der Ministerin nicht öffentlich gemacht habe. „Darüber kann ich mich heute richtig ärgern, aber wir wollten dem Ansehen der Justiz nicht schaden“, so Remmers. Diese Kritik könnte als Retourkutsche eines abgehalfterten CDU-Ministers abgetan werden, gäbe es da nicht die Geschichte mit der Staatssekretärin Ulrike Riedel.

Die grüne Rechtsexpertin arbeitete zwei Jahre unter Karin Schubert. 1996 wurde Riedel in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die offizielle Begründung: Das Vertrauensverhältnis sei gestört. Über die wirklichen Gründe konnte die Presse nur spekulieren. Fakt ist, dass Schubert Höppner unter Druck gesetzt und mit Rücktritt gedroht hatte, falls er Riedel nicht entlässt. Die Zeit schrieb damals unter Berufung auf Spitzenbeamte der Magdeburger Justizverwaltung, Schuberts Amtsführung gelte als „chaotisch und unberechenbar“. Die Ministerin habe es nicht ertragen, von der Staatssekretärin „fachlich in die Tasche gesteckt zu werden“, sagte ein SPD-Staatssekretär in demselben Artikel. Ein Grünen-Abgeordneter brachte es so auf den Punkt: „Eine hoch qualifizierte Frau wurde für eine drittklassige Ministerin geopfert.“

Alte Geschichten sollte man ruhen lassen, und Menschen können sich durchaus ändern. Doch egal, wer damals Recht hatte: Der Fall mit der Staatssekretärin lässt befürchten, dass Karin Schubert eine Frau ist, die Konflikte nicht auf eine sachliche Ebene bringen kann.

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