DER NAHOSTKONFLIKT WIRD FAST NICHT MEHR BEACHTET IN DER WELT: Chance für eine Friedensinitiative
Eine Meldung, ein Kommentar über die Lage im Nahen Osten – das würde sich eigentlich nur noch lohnen, wenn es zufällig einmal keinen israelischen Militäreinsatz, keinen palästinesischen Anschlag und keine Toten zu beklagen gäbe. Denn das wäre etwas Neues.
Was gibt es sonst schon zu berichten? Ob „Zirkel der Gewalt“, „Spirale der Eskalation“, „Zuspitzung der Lage“ oder „Kreislauf von Terror und Vergeltung“ – die altbekannten Phrasen verschleiern mehr, als sie erklären. Und die tagtägliche Gewalt in Israel und Palästina hat begonnen, die Aufmerksamkeitsgrenze der Weltöffentlichkeit zu unterschreiten. Der Nahe Osten wird, wenn es so weitergeht, auf unserer mentalen Weltkarte schon bald irgendwo zwischen Kolumbien und Simbabwe rangieren: Alles wird gewissenhaft gemeldet, nichts kommt voran. Keiner glaubt noch, dass palästinensische Extremisten oder israelische Militärs, geschweige denn die wenigen verbliebenen Friedensaktivisten beider Seiten irgendeine Aussicht haben, ihre Ziele zu erreichen.
Und auch den potenziellen Vermittlern fällt anscheinend kaum noch etwas ein: Der amerikanische Außenminister Colin Powell, der Außenpolitik-Beauftragte der EU, Javier Solana, und der deutsche Außenminister Joschka Fischer überbieten sich mit Nullsätzen, aus denen mehr Höflichkeit als Hoffnung klingt. Doch es wäre schlimm, wenn man sich diesem Sog der Hoffnungslosigkeit hingäbe.
Noch kann selbst im Nahen Osten außenpolitischer Druck eine Menge bewirken. Die USA und die EU haben großen Einfluss auf beide Seiten – gerade wenn es um finanzielle Hilfen geht. Noch versuchen Israelis und Palästinenser immerhin, sich in einem mit großer Eifersucht ausgetragenen Beliebtheitswettbewerb die Untertützung der Großen zu sichern. Hier lag schon immer die einzig realistische Chance auf Frieden in Nahost versteckt.
Ironischerweise müssten Europäische Union und die USA deshalb gerade jetzt einschreiten – jetzt, wo alle Welt so desillusioniert ist, dass kein Druck besteht. Die Erwartungen an mutige Initiativen sind zur Zeit denkbar gering, das kann hilfreich sein. Zum Beispiel für die Entsendung Internationaler Beobachter: Da sich beide Seiten derzeit vornehmlich als Opfer des Konflikts präsentieren, können sie dagegen wirklich wenig einwenden. Und wenn Joschka Fischer morgen nach Ramallah flöge, ganz sicher könnte er erreichen, dass die Israelis Arafats Hausarrest und die Belagerung seines Büros aufgäben.
Jetzt muss die nächste internationale Initiative her. An überzogenen Erwartungen würde sie dieses Mal nicht zerbrechen. YASSIN MUSHARBASH
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