: Muslime wollen Schächt-Zertifikat
Islamrat und Zentralrat einigen sich auf Strategie. Sie möchten ihre Auslegung für alle Muslime durchsetzen
BERLIN taz ■ Zwei Stunden dauerte die Konferenz in der Zentrale des Islamrats, dann waren sich die Vertreter der beiden Dachverbände der in Deutschland lebenden Muslime einig, wie sie auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag reagieren wollen, das muslimischen Metzgern erlaubt, Tiere auch ohne vorherige Betäubung rituell zu schächten.
Vornehmlich geht es dabei um einen theologischen Begriff: „halal“. Dieses Wort garantiert muslimischen Kunden, dass die Ware dem islamischen Recht entsprechend hergestellt wurde. Nach dem Willen der Dachverbände soll künftig nur noch solches Fleisch als „halal“ gekennzeichnet werden, das von Tieren stammt, die ohne vorherige Betäubung geschächtet wurden. „Die deutschen Behörden sind aufgerufen, den Islamrat und den Zentralrat als einzige Zertifizierungsstelle anzuerkennen, damit kein Chaos entsteht“, sagte Hasan Özdogan, Vorsitzender des Islamrats, der taz zur Begründung.
Die Dachverbände stört, dass in Deutschland heute auch solches Fleisch als „halal“ ausgezeichnet wird, das von zuvor betäubten Tieren stammt. Im Islam herrschen unterschiedliche Ansichten in der Betäubungsfrage.
Doch hinter der theologischen Debatte verbirgt sich auch ein Kampf um Einfluss in der muslimischen Community. Seit Jahrzehnten wünschen sich die Dachverbände, vom Staat als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Über den Umweg der Kooperation bei der „Halal“-Zertifizierung hoffen sie, diesem Ziel näher zu kommen. Zentralrat und Islamrat wollen deshalb „in nächster Zeit“ mit dem Verbraucherschutzministerium über die Zertifizierung sprechen. Außerdem werden sie anbieten, Richtlinien für die Ausbildung islamischer Schächter zu erarbeiten. Das Verbraucherschutzministerium werde zunächst abwarten, erklärte Sprecherin Ursula Horzetzky der taz. „Wir werden von uns aus nichts vom Zaun brechen.“
Möglicherweise werden die Verbände auch einen Normierungsantrag beim Deutschen Institut für Normung (DIN) stellen. Nach Auskunft von Ingrid Bohnsack vom Normenausschuss für Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte beim DIN wäre das möglich. „Geschächtet nach DIN xy“ könnte dann künftig auf dem Fleisch unbetäubt geschlachteter Tiere stehen.
Doch die muslimischen Dachverbände sind nicht die Ersten, die sich über ein „Halal“-Siegel Gedanken machen. Im hessischen Trebur bietet Mahmoud Tatari seit einem Jahr die gebührenpflichtige „Halal“-Zertifizierung ganzer Produktionsvorgänge an. Er kooperiert dabei mit dem „Islamologischen Institut“ unter der Leitung von Amir Zaidan. Zaidan war bis zum Sommer 2000 Vorstandsmitglied der „Islamischen Glaubensgemeinschaft Hessen“ (IRH), einem regionalen Dachverband, der für seine Mitglieder bereits festlegte, „halal“ sei nur das Fleisch unbetäubter Tiere. Zwar sind sich IRH, Islamologisches Institut und Tatari in der „Halal“-Interpretation einig. Dass sich die beiden Dachverbänder mit einem einheitlichen Zertifikat durchsetzen könnten, glaubt Tatari indes nicht: „Das Vertrauen in diese Organisationen ist nicht gerade auf einem guten Fundament gegründet“. YASSIN MUSHARBASH
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