: Schily: Keine weiteren V-Männer
Die NPD geht im Gegensatz zu Innenminister Schily davon aus, dass sich unter den Zeugen im Verbotsverfahren weitere Informanten des Verfassungsschutzes befinden. Grüne fordern stärkere Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament
von WOLFGANG GAST
Am NPD-Verbotsverfahren sind Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zufolge keine weiteren V-Leute des Verfassungsschutzes beteiligt. Außer dem bekannt gewordenen ehemaligen V-Mann Wolfgang Frenz seien keine Zeugen vor Gericht geladen, die in einer Verbindung zu den Verfassungsschutzbehörden gestanden hätten, versicherte Schily gestern im ZDF. Schilys Aussage bedeutet aber nicht, dass sich nicht möglicherweise weitere V-Leute in Spitzenfunktion der NPD befinden.
Der Berliner Tagesspiegel, der am Mittwoch mit NPD-Schatzmeister Erwin Kemna den falschen V-Mann outete, beharrte gestern darauf, dass Kemna ein Zuträger des Verfassungsschutzes sei. Auf Kemnas Aussagen sollen sich Passagen des Verbotsantrages stützen. Auch die NPD geht davon aus, dass sich weitere V-Leute auf der Zeugenliste befinden. Der Vorsitzende Udo Voigt sagte der Financial Times Deutschland, er sei sicher, dass zwei weitere V-Leute an Schlüsselstellen der Partei säßen. Er gehe davon aus, dass sie auch auf der Zeugenliste stünden. Namen wollte Voigt nicht nennen.
Als Konsequenz aus der Affäre forderte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, gestern einen Bundestags-Beauftragten für die Geheimdienste: „Ich glaube, dass wir nicht darum herumkommen, eine bessere Geheimdienstkontrolle beim Bundestag einzusetzen.“ Der vorhandenen parlamentarischen Kontrolle sei nicht erlaubt, ihr Wissen an die Parlamentarier weiterzureichen, da auch die Kontrolle geheim sei. Deswegen forderte Özdemir einen Beauftragten vergleichbar dem Wehrdienstbeauftragten, der jedes Jahr einen Bericht vorlege und auch unangemeldete Kontrollen durchführen dürfe.
Özdemir übersieht dabei, dass ein solcher Beauftragter aus Geheimschutzgründen auch nicht detailliert über die Arbeit der Geheimdienste berichten dürfte, und dass das bisherige Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) bereits das Recht auf unangemeldete Kontrollen bei den Geheimdiensten hat. Praktikabler scheint da ein Vorschlag von Özdemirs Fraktionskollege Christian Ströbele. Dieser regt an, beim PKG einen Sonderermittler zu berufen, der die Pannen im NPD-Verbotsverfahren untersucht. Da die Verteidigungsstrategie der NPD darauf abziele zu behaupten, die Verbotsgründe seien von Verfassungsschützern in die Partei hineingetragen worden, solle dieser Ermittler auch untersuchen, wieweit Vertrauensleute des Verfassungsschutzes „mit Wissen und Billigung der NPD“ tätig wurden.
Rechte Gruppierungen reagierten auf den aufgeflogenen V-Mann mit Genugtuung. Der Vorsitzende der „Republikaner“, Rolf Schlierer, sagte: „Seit Jahren pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass staatliche und geheimdienstliche Stellen den Neonazi-Popanz zum großen Teil selbst aufbauen und finanzieren, um ihn anschließend mit großem Getöse zu bekämpfen.“
Solche Verschwörungsthesen verfangen aber auch an anderer Stelle. Nach Ansicht der stellvertretenden Vorsitzenden der PDS- Bundestagsfraktion, Petra Pau, ist die NPD durch den Einsatz von V-Männern „erst hochgezüchtet“ worden.
Das Bundesverfassungsgericht stellte gestern klar, es erwarte nach der V-Mann-Panne von den Antragstellern Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung keine neuen Verbotsanträge. Das Gericht habe nicht das gesamte Verfahren, sondern lediglich die Termine zur mündlichen Verhandlung ausgesetzt, sagte Gerichtssprecherin Carola von Paczensky gestern in Karlsruhe. Der zweite Senat warte jetzt auf die bereits angekündigten Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten.
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