Schwierige Rechtsfindung: Vergessliche Polizisten
■ Polizei brach Knochen: Zivilprozess um ein Schmerzensgeld dauert
„Dass die beteiligten Polizisten alles vergessen haben, kann ich nicht glauben.“ Fassungslos verließ die Ehefrau von Isa C. gestern das Bremer Landgericht. Dort begann vergangenen Herbst der Zivilprozess ihres Ehemannes gegen die Stadt Bremen. Gestern war Verhandlung.
Der Mann, der heute am Stock geht, will entschädigt werden für Verletzungen, die ihm Polizisten in der ehemaligen Wache Sandstraße zufügten. Dorthin war der unverletzte Autofahrer nach einer Verkehrskontrolle zur Blutabnahme gebracht worden. Doch er verließ die Wache im Krankenwagen. Ärzte diagnostizierten ein gebrochenes Hüftpfannengelenk und Rippenbrüche. Der Vorfall jährt sich am 9. Februar bereits zum vierten Mal.
Dienstrechtliche Konsequenzen hatte das gewalttätige Handeln für keinen von vier direkt beteiligten Beamten; die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein, weil die Zeugenaussagen nicht aufklärten, wer was getan hatte. Allerdings wurde – ähnlich wie zur Jahreswende 2000 im Fall des damaligen Schülers Tim Koehne – festgestellt: Polizisten sind Urheber der Verletzungen.
Darauf stützt sich nun die Entschädigungsklage des mittlerweile knapp 50-Jährigen, der noch unter Schmerzen leidet und nach dem Vorfall seinen Arbeitsplatz wechseln musste. 25.000 Mark als Schmerzensgeld und für Verdienstausfall fordert sein Anwalt Armin von Döllen von der Stadt als Dienstherrin. Gewönne er, müsste die Stadt auch mit Forderungen der Krankenkasse des Verletzten rechnen. Doch vor Ende des Jahres wird das Urteil kaum fallen, zumal es bisher schwierig war, überhaupt alle Zeugen ins Gericht zu bekommen. Mal ist es Urlaub, mal eine Dienstverpflichtung auswärts – ausgesagt haben jedenfalls noch nicht alle Beamten.
Auch gestern waren nur zwei erschienen – deren Erinnerungslücken so groß waren, dass von Döllen feststellte: „Ich habe den Eindruck, hier wird sehr gemauert.“ Kurz zuvor hatte ein Polizist angegeben, vor Prozessauftakt beim Justiziar des Innenressorts „grundeingewiesen“ worden zu sein. Man habe sich aber nur die früheren Aussagen vergegenwärtigt. Und darüber geredet, „dass wir nichts zu verheimlichen haben“ – worauf der Richter rügte: „Sie sind verpflichtet, vor Gericht die Wahrheit zu sagen.“
Doch gegen Erinnerungslücken blieb der Richter machtlos. So war auch nach den Aussagen der beiden unklar, wie der Kläger – der „aus Angst vor Blut und Spritzen“ die Blutentnahme bis zum Eintreffen seines Sohnes verhindern wollte –, im Beisein von vier Polizisten von einem Stuhl auf den Boden gelangte und dann von dort wegen der Schmerzen nicht mehr aufstehen konnte. Während ein Zeuge den Mann vorm Hinfallen geschützt haben will, berichtet der Verletzte selbst nach der Verhandlung: „Jemand hat mich von hinten geschlagen und vom Stuhl geschmissen.“ Dann sei einer auf seinem Rücken gewesen. Der Richter hatte zuvor geäußert: „Gut sieht das nicht aus, wenn der Kläger unverletzt auf die Wache kommt und sie im Krankenwagen verlässt.“ ede
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