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bündnis für arbeitJobs entstehen anderswo

Manche Dinge werden nur deshalb nicht offiziell beendet, weil man sie nicht beenden darf, um dem Image der Beteiligten nicht zu schaden. Das war auch das Problem beim gestrigen Spitzentreffen zum „Bündnis für Arbeit“. Mehr noch als früher zeigte sich: Im Bündnis kann sich nichts bewegen. Warum das so ist, wirft ein Licht auf das Machtgefüge in Deutschland.

Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH

Erst einmal: Selbstverständlich muss man in einem „Bündnis für Arbeit“ auch ernsthaft über Lohnfragen sprechen können, Tarifautonomie hin, Tarifautonomie her. Vor einigen Jahren gab es eine umfassende Studie über „Sozialpakte“, die in zehn europäischen Ländern geschlossen wurden. Ergebnis: Die Bereitschaft der Gewerkschaften, gemäßigte Lohntarifverträge nicht nur für ein Jahr, sondern längerfristig abzuschließen, war in allen Fällen die zwingende Vorbedingung für weitere Einigungen gewesen. Es stimmt zwar: Lohnzurückhaltung allein schafft noch keine Arbeitsplätze. Aber Lohnzurückhaltung begünstigt in jedem Fall die Schaffung von neuen Jobs, so das Ergebnis der Studie.

Es ist aber nur zweimal gelungen, im „Bündnis für Arbeit“ in Deutschland ernsthaft über Lohntrends zu sprechen. Diesmal klappte es nicht. Das liegt nicht an der Herzlosigkeit der Gewerkschaften oder an der Gewinnsucht der Unternehmer, sondern an der Machtstruktur im hiesigen Tarifsystem. Die Gewerkschaften vertreten nun mal nicht die Arbeitslosen, sondern die Beschäftigten. Mit jeder Ankündigung von Lohnmäßigung verlieren sie an Macht. So einfach ist das. Ebenso repräsentieren die Unternehmer selbstverständlich auch nicht die Erwerbslosen, sondern ihre Profitinteressen.

Weder von Gewerkschaftern noch Unternehmern kann man also verlangen, sich „moralisch“ im Sinne der Erwerbslosen zu verhalten. Das „Bündnis“ wurde aber als eine Art moralische Institution im Dienste der Erwerbslosen gegründet – und genau das war das falsche Versprechen.

Bundeskanzler Schröder unternahm gestern zwar noch einmal einen Rettungsversuch, in dem er in einem schriftlich verbreiteten Statement betonte, wie wichtig doch die Tarifpolitik für die Beschäftigungsentwicklung sei. Das war eine indirekte Botschaft, aber auch nicht mehr. Schröder erklärte, man werde sich „noch in diesem Jahr wiedertreffen“. Da bleibt noch viel Zeit. Aber wen interessiert’s? Arbeitsplätze jedenfalls entstehen anderswo. Oder eben auch nicht.

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