: Otto Schily sieht rot-rot
Kaum hat der Innenminister die Brandenburger CDU für sein Zuwanderungsgesetz geködert, machen die rot-rot regierten Länder Berlin und Mecklenburg Probleme: Die PDS knüpft ihre Zustimmung an radikale Forderungen beim Flüchtlingsschutz
von LUKAS WALLRAFF
Bisher schien es so, als führten alle Wege zur Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes nach Potsdam. Innenminister Otto Schily (SPD) konzentrierte sich bei seinen Verhandlungen ganz darauf, die große Koalition in Brandenburg als Mehrheitsbeschaffer für die entscheidende Abstimmung im Bundesrat zu gewinnen. Schilys Rechnung war einfach. Er plante einen Tauschhandel: vier für vier. Um die vier Stimmen aus Brandenburg zu bekommen, die für eine Mehrheit reichen, bot Schily an, genau die vier Wünsche zu erfüllen, die Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) als Bedingung genannt hatte. Ein schöner Plan, der aufzugehen schien. Selbst Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte am Dienstag, er hätte „kein Problem damit“, wenn Brandenburg unter diesen Umständen zustimme. Auch die Grünen spekulierten offen auf eine Einigung mit Brandenburg. Doch nun wird alles wieder komplizierter. Denn die PDS könnte Schily im Bundesrat noch einen Strich durch die Rechnung machen.
Gestärkt durch die Regierungsbeteiligung in Berlin, entdecken die Sozialisten ihre neue Rolle als Machtfaktor im Bundesrat – und die Einwanderung als Wahlkampfthema. Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Petra Pau war die Erste, die darauf hinwies, dass Schily auch die rot-rot regierten Länder brauche, wenn er das Gesetz durchbringen wolle. Was das für die weiteren Verhandlungen bedeuten könnte, machte die Berliner PDS gestern klar: „Wir wollen einen faulen Kompromiss zwischen Schily und Schönbohm verhindern“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Berliner PDS-Fraktion, Marion Seelig, der taz.
Die Forderungen Brandenburgs nach einer Begrenzung der Zuwanderung gehen der Berliner PDS viel zu weit, sie möchte im Gegenteil weitere Verbesserungen für Flüchtlinge im Zuwanderungsgesetz verankert wissen. Und während Schily und Schönbohm um eine Absenkung des Familiennachzugalters auf 14 oder 12 Jahre verhandeln, legte sich die Berliner PDS gestern fest: „Familiennachzug muss für alle Kinder bis zum Alter von 18 Jahren möglich sein.“ In einem neunseitigen Positionspapier, das der taz vorliegt, fordert die Hauptstadt-PDS unter anderem auch eine Erweiterung der Asyl-Anerkennungsgründe auf nichtstaatliche Verfolgung – was Brandenburg kategorisch ablehnt.
Sollte Schily die PDS-Forderungen ignorieren und nur auf Schönbohm hören, müsse sich Berlins Rot-Rot-Koalition im Bundesrat enthalten – und notfalls das Gesetz verhindern, machte Seelig deutlich.
Auch die PDS in Mecklenburg-Vorpommern lässt die Muskeln spielen: „Eine vorbehaltlose und voraussetzungslose Zustimmung der PDS-Fraktion zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes kann es nicht geben“, heißt es in einem ähnlichen Papier der Schweriner PDS.
Grünen-Chefin Claudia Roth begrüßte gestern die Einmischung der PDS und plädierte dafür, „die PDS an den überparteilichen Gesprächen zur Zuwanderung zu beteiligen“. Auch Innenexperte Cem Özdemir hält das für „wünschenswert“. Die PDS-Vorschläge seien schließlich „zum Teil identisch mit Dingen, die auch wir fordern“. Özdemir hat aber Zweifel, ob es die PDS ernst meint: „Das, was die Spitzenebene der PDS sagt, und das, was die Basis denkt, klafft in dieser Frage sehr weit auseinander.“
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