: Der Traum vom Strand unter dem Pflaster
Held oder Opfer, Revolutionär oder Depp? Die Achtzigerjahre werfen Fragen von so grundlegender Natur auf, dass sich Soziologen auf die Formel „Verlorene Generation im verlorenen Jahrzehnt“ einigten. Wie konnten sie nur, wo doch Selbstverwirklichung das oberste Ziel war! In Berlin wurde das durchexerziert. Im günstigsten Fall war der sich selbst Verwirklichende aktiv in der Hausbesetzer-, Frauen-, Mieter- und Anti-AKW-Bewegung, machte Kinderladen- und Knastarbeit oder im Ermittlungsausschuss mit, war nachts Punk und schaffte nebenbei noch seinen Meister im Do-it-yourself. Im weniger günstigen Fall – wie bei mir – führte das Ganze zu einer gewissen Verwirrung. Womit anfangen?
So wurde ich Beobachterin. Am Tag schaute ich der Selbstverwirklichung von Leuten zu und nachts meinem damaligen Liebhaber, wie er Polizeifunk abhörte. Weil jener als bekennender Außenseiter weder an den großen Wurf glaubte noch in einer Telefonkette war, erfuhr er auf den verbotenen Frequenzen aus erster Hand, wo es brannte. Meist war das nur einen Steinwurf entfernt. Für ihn kein Problem. Für mich schon, weil ich durch Beobachten herausgefunden hatte, dass – wider das große Versprechen der Zeit – unter dem Pflaster kein Strand lag.
FRANZA ZELLER
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