: Sarrazin zieht die Daumenschrauben an
Finanzsenator: Versprochene Neueinstellungen nur, wenn zuvor eine Milliarde beim Personal gespart wird
Die Aufregung in der Stadt war groß, als der Senat am Dienstag bekannt gab, die Neuverschuldung Berlins im Jahr 2002 auf 6,3 Milliarden Euro anzuheben. Die Unverhältnismäßigkeit der Verschuldung ist ja auch augenfällig: Bei einem Haushalt knapp über 22 Milliarden Euro ist mehr als jeder vierte Euro geborgt. Die Höhe der Neuverschuldung für 2002 erklärt sich durch in den letzten beiden Jahren aufgelaufene Fehlbeträge. Deren Berücksichtigung im aktuellen Haushalt setzte der neue Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) im Senat durch. Noch in den Koaltionsverhandlungen waren SPD und PDS davon ausgegangen, in diesem Jahr deutlich weniger Geld aufnehmen zu müssen und die Fehlbeträge erst später einzustellen.
Auch in weiteren Punkten steht Sarrazin in offenem Widerspruch zu seinen Senatskollegen. Die rot-rote Koalition beabsichtigt, im Personalbereich 1 Milliarde Euro einzusparen. Davon stehen bisher aber nur 500 Millionen konkret fest. Die Erfolgsaussichten des Plan, weitere 500 Millionen durch Verhandlungen mit den Gewerkschaften einzusparen, sieht Sarrazin skeptisch. In der Senatssitzung musste er regelrecht dazu gezwungen werden, diesen Betrag als Einsparung überhaupt in seiner Finanzplanung auszuweisen. Sollte es zu keinem „Solidarpakt“ kommen, will Sarrazin „alle Neueinstellungen auf Eis legen“. Wohlgemerkt: Das betrifft nicht nur Verwaltungsbeamte, sondern auch Polizisten und Lehrer. Deren Neueinstellung ist Wahlversprechen von SPD und PDS und im Koalitionsvertrag niedergeschrieben. Anders als seine Vorgänger kann Sarrazin diese Drohung tatsächlich wahr machen: Das Personal untersteht unter Rot-Rot nicht mehr der Innenverwaltung, sondern dem Finanzressort.
Sarrazin setzt bei der Etatsanierung bei den Ausgaben des Landes an. Diese liegen, selbst wenn beim Personal tatsächlich 1 Milliarde Euro gespart würde, immer noch mehr als 2 Milliarden über den Einnahmen des Landes. Das müssen nun andere Ressorts ausgleichen. Dies hält Sarrazin für möglich, jedoch nicht, wenn man Kultur, Hochschulen und Sozialausgaben von Kürzungen verschont. Genau das aber haben SPD und PDS für die Bereiche Kultur und Bildung im Wahlkampf versprochen.
Sarrazin vermittelt seine Sparziele mit einer anderen Strategie als seine Vorgänger: Er konzentriert sich ganz auf die Senkung der Ausgaben. Erst wenn hier ein Ausgleich mit den Einnahmen erzielt ist, will er sich um die Zinslawine kümmern. Zur Illustration: Dieser Ansatz entspricht dem Vorgehen des Internationalen Währungsfonds bei der Betreuung überschuldeter Staaten in der Dritten Welt.
Der Finanzsenator hofft dezidiert nicht auf eine relevante Entlastung bei den so genannten Hauptstadtlasten oder auf andere Hilfe von außen. Auch die Feststellung des Haushaltsnotstandes durch das Bundesverfassungsgericht hält er für illusorisch. Sarrazin setzt ganz auf „Selbsthilfe“: Pro Einwohner muss Berlin nach seinen Berechnungen 600 Euro einsparen. Dies sei ohne weiteres möglich; bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Soziales, Verkehr und Wissenschaft liege Berlin deutlich über vergleichbaren Werten. Der Senator hat seine Verwaltung erstmals auch Vergleichsmaterial zu Flächenländern erstellen lassen, in dem Berlin nicht gut abschneidet.
Ungewöhnlich deutlich geht Sarrazin mit der Berliner Politik seit der Wende ins Gericht. „Unverzeihlich leichtsinnig“ sei die Anpassung der Ost- an die Westgehälter gewesen, vielmehr wäre ein umgekehrte Anpassung angebracht gewesen. Die Wohnbauförderung bezeichnete er als „reinsten Rinderwahnsinn“, die Bankgesellschaft sei „ein Wahnsinn, da steht man sprachlos davor“. ROBIN ALEXANDER
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