: Islamische Föderation kriegt Konkurrenz
Die als tolerant geltenden Aleviten werden voraussichtlich ab kommenden Schuljahr Islamunterricht anbieten. Großes Interesse bei Eltern, die Angst vor fundamentalistischen Tendenzen im Unterricht der Islamischen Föderation haben
Muslimische Kinder haben voraussichtlich schon im kommenden Schuljahr die Möglichkeit, in der Hauptstadt einen Islamunterricht zu besuchen, der nicht von der umstrittenen Islamischen Föderation angeboten wird. Der Schulverwaltung zufolge hat das „Kulturzentrum Anatolischer Aleviten“ beantragt, Islamunterricht zu geben. Derzeit würden die Lehr- und Rahmenpläne für den Unterricht, eingegangen Ende vergangenen Jahres, geprüft, teilte die Sprecherin der Schulverwaltung, Rita Hermanns, mit. Wenn daran nichts auszusetzen sei, bekämen die Aleviten die Erlaubnis, ihre Weltanschauung zu lehren.
Das Recht, Islamunterricht zu erteilen, hat sich bisher nur die Islamische Förderation gerichtlich erstritten – gegen den erbitterten Widerstand der Schulverwaltung, die diese Gruppierung möglichst aus der Schule heraushalten wollte. Der Föderation wird im Verfassungsschutzbericht vorgeworfen, sie unterhalte über einzelne Mitglieder Kontakte zur fundamentalistischen Vereinigung Milli Görus.
Die Islamische Föderation hatte in einem komplizierten und langwierigen Verfahren über mehrere Instanzen das Recht erstritten, islamischen Religionsunterricht in der Hauptstadt zu erteilen. Da in Berlin – anders als in allen anderen Bundesländern – die Schülerinnen und Schüler kein wertorientiertes Fach belegen müssen und auch der Religionsunterricht völlig freiwillig und allein unter der Aufsicht der Weltanschauungs- und Religionsvereinigungen steht, kann die Islamische Föderation nun ohne staatliche Überwachung an zwei Berliner Grundschulen den Koran nach ihrem Verständnis lehren.
Da der Unterricht der Islamischen Föderation bei vielen türkischen Eltern unter dem Verdacht des Fundamentalismus steht, hat das geplante Angebot der Aleviten schon vor Beginn des Unterrichts nach Angaben von Metin Kücük vom Vorstand der Aleviten mehr als 200 Interessenten gefunden. An mindestens vier Schulen in Kreuzberg, Wedding und Neukölln sollen alevitische Lehrer Unterricht geben. In Berlin, so Kücück, leben etwa 40.000 Menschen alevitischen Glaubens.
Rita Hermanns zufolge bestehen gegen den Islamunterricht der als tolerant geltenden Aleviten „keine grundsätzlichen Bedenken“. Vor Erteilung der Lehrerlaubnis müssten jedoch noch einige Formsachen geprüft werden. Von keiner weiteren Glaubensgemeinschaft lägen bisher Anträge vor, Religionsunterricht zu erteilen. PHILIPP GESSLER
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