Kriegsziel wird neu definiert

Ausgerechnet der US-Geheimdienst CIA entlastet Saddam Hussein von den Terrorvorwürfen. Deshalb konzentrieren sich die USA jetzt auf die im Irak vermutete Produktion von Chemie- und Biowaffen

aus Washington MICHAEL STRECK

Für die amerikanische Regierung ist die Sache klar. Der Irak ist ein Reich des Bösen. Sein Herrscher Saddam Hussein unterstützt Terrorgruppen bei Anschlägen gegen die USA und versucht dazu noch in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen. Unverblümt skizziert das Pentagon bereits mögliche Angriffsszenarien und Kommentatoren rufen zum Sturz des Tyrannen von Bagdad auf. Beobachter deuteten Präsident George W. Bushs Rede an die Nation auch schon als halbe Kriegserklärung an den Irak.

Nun kommt ausgerechnet der US-Geheimdienst CIA und erinnert die Bush-Regierung daran, dass es sich bei dem erklärten Krieg immer noch um einen Feldzug gegen den internationalen Terrorismus handelt. Es gebe nicht genug Beweise für eine Komplizenschaft des Irak bei Terroranschlägen gegen die USA, die es rechtfertigen würden, das Land zum nächsten Ziel im Krieg gegen den Terror zu machen.

Viel wurde über mögliche Verwicklungen des Irak in die Anschläge vom 11. September spekuliert. Wichtigste Quelle der Vermutungen waren Berichte über ein Treffen zwischen dem vermeintlichen Kopf der Flugzeugentführer, Mohammed Atta, und einem irakischen Geheimdienstoffizier in Prag. Mittlerweile geht der CIA davon aus, dass diese Begegnung tatsächlich stattgefunden hat. Diese Tatsache allein liefere jedoch keine ausreichenden Beweise, denn unklar bleibe, was zwischen den beiden besprochen wurde.

Der CIA befürchtet allerdings, dass der Irak chemische und biologische Waffen entwickelt. Diese Arbeiten seien nach dem Verlassen der UN-Waffeninspektoren 1998 intensiviert worden. Die Geheimdienstler vermuten zudem, dass der Irak auch an Atomwaffen forscht, bislang jedoch keine ausreichenden Mengen an waffenfähigem Nuklearmaterial erwerben konnte. Auch Ussama Bin Ladens Al-Qaida-Organisation schätzt der CIA bei biologischen und chemischen Waffen weiterhin als gefährlich ein, obwohl mehr als 1.000 Mitglieder festgenommen wurden. „Wir wissen, dass al-Qaida die gefährlichsten chemischen Stoffe und Gifte und Geräte zur Verbreitung von Radioaktivität angeschafft hat“, sagte CIA-Chef George Tenet vor einem Senatsausschuss in Washington.

Für das Pentagon geht es längst nicht mehr um die Bestrafung der Terroristen. „Der wirkliche Krieg hat nichts mehr mit den Anschlägen zu tun. Es geht darum, den nächsten nuklearen oder chemischen 11. September zu verhindern“, schreibt Washington-Post-Kolumnist Charles Krauthammer. Das Land soll für Präventivschläge mobilisiert werden. Das Kriegziel wird neu definiert.