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Orientalisten schützen das Grundgesetz

Für Islamexperten eröffnen sich in Deutschland neue Karrierechancen bei den Verfassungsschutzämtern

BERLIN taz ■ Der Terrorismus hat Islamwissenschaftler zu begehrten Gesprächspartnern gemacht. Und seit die Bundesregierung im Rahmen des Antiterrorpakets 1,5 Milliarden Euro bewilligte und allein das Bundesinnenministerium rund 350 Millionen auszugeben hat, haben sich für Absolventen des einstigen Orchideenfaches neue Karrierechancen eröffnet – als Mitarbeiter für den Verfassungsschutz.

Fünfzig neue Stellen hat allein der bayerische Verfassungsschutz zu besetzen. Politologen und Sozialwissenschaftler gehören dort längst zum Mitarbeiterstab, jetzt wird gezielt nach Islamwissenschaftlern gesucht. Auch in Berlin und Brandenburg, in Hessen und Hamburg, in Sachsen oder Sachsen-Anhalt sucht der Verfassungsschutz nach Islamexperten. Und Schleswig-Holstein plant sogar die Errichtung eines eigenen Referats Islamismus, ausgestattet mit 15 Stellen. In Baden-Württemberg gibt es eine vergleichbare Abteilung bereits seit fünf Jahren, doch auch hier hat das Antiterrorpaket noch mal fünfzehn neue Stellen beschert.

Nicht mehr bloß kurzfristiges Arbeiten wie „hinterherlaufen und aufklären“ verspreche man sich von den neu entdeckten Experten, so der Pressesprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, Gregor Lange. In Zukunft gehe es verstärkt darum, Gesamtzusammenhänge zu klären und Gründe für den Terrorismus zu durchleuchten. Der NRW-Verfassungsschutz hat dafür bereits im Oktober einen Islamwissenschaftler eingestellt, drei weitere sollen noch folgen.

„Spitzel anwerben für den Verfassungsschutz“ – so heißt das neu entstandene Tätigkeitsfeld denn auch unter manchen Studenten. Eine Absolventin der Freien Universität Berlin (FU) verwahrt sich gegen solche Angebote: „Erst redeten alle vom Dialog mit dem Islam. Jetzt geht es doch nur um Bespitzelung.“ Dafür habe sie nicht studiert. Aber nicht alle Kommilitoninnen und Kommilitonen sehen das so. Der Berliner Verfassungsschutz, der bereits „einige“ Islamwissenschaftler eingestellt hat, kann sich nicht über mangelnde Bewerbungen beklagen. Selbst beim Landesamt für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern, wo das Arbeitsgebiet Ausländerextremismus bisher hauptsächlich als eine der verfassungsgemäßen Aufgaben der Behörde denn als konkretes Tätigkeitsfeld wahrgenommen wurde, sind schon Initiativbewerbungen von Islamwissenschaftlern eingegangen. Auch im Bundeskriminalamt liegen erste Bewerbungen vor, obgleich noch gar keine Stellen ausgeschrieben worden sind.

Gudrun Krämer, Leiterin des Fachbereichs Islamwissenschaften an der FU, lehnt das neue Betätigungsfeld nicht prinzipiell ab: „Es ist begrüßenswert, dass sich solche Dienste für das heikle Gebiet des religiösen Extremismus um ausgebildete Fachkräfte bemühen.“ Dass es dabei nicht um interkulturellen und interreligiösen Dialog gehe, müsse jedem Bewerber klar sein. Dieser Dialog müsse wohl eher auf kulturellem oder politischem Feld stattfinden. „Und hier können eigentlich nur Institutionen tätig werden wie das Goethe-Institut, Inter Nationes, die unterschiedlichen politischen Stiftungen, die zwar politisch arbeiten, aber auch kulturell tätig werden können“, so Krämer.

Dass von Einrichtungen wie dem Goethe-Institut verstärkt nach Islamexperten gesucht würde, hat Krämer bisher nicht feststellen können. Kein Wunder. Zwar sucht auch das Auswärtige Amt derzeit nach Islamwissenschaftlern – laut Ausschreibung für den „Dialog mit der islamischen Welt und zur verstärkten Terrorismusbekämpfung“. Aber bei den rund 200 neuen Stellen geht es weniger um kulturellen Austausch, wenngleich 40 der 80 Stellen im höheren Dienst mit Islamwissenschaftlern besetzt werden sollen. Das Gros der neuen Stellen dient vor allem der Verstärkung des Bereichs Konsularangelegenheiten, das heißt: zur besseren Kontrolle derjenigen, die nach Deutschland einreisen möchten. Von den 200 Millionen Mark, die das Auswärtige Amt dafür aus dem Anti-Terror-Topf bekommen hat, sind bislang lediglich 5 Millionen für den Bereich Kultur vorgesehen. Einen kleinen Teil davon wird dann wohl auch das Goethe-Institut bekommen. ALKE WIERTH

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