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Flurbereinigung im Prämiendickicht

Ein Papier des Verbraucherschutzministeriums zur Landwirtschaft in Europa: Weg von Prämien für die Produktion von Fleisch und Getreide, hin zur Bezahlung von Dienstleistungen. Stirnrunzeln beim Finanzminister, Lob von Umweltverbänden

von BERNHARD PÖTTER

Die Hilfe für die Agrarwende kam von unerwarteter Seite: Der Abbau von Agrarsubventionen in Europa und den USA brächte den Entwicklungsländern drei bis fünf Mal so viele Devisen wie die gesamte internationale Hilfe, sagte am Dienstag Mike Moore, Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO, in Nairobi. Ohne diese Handelshemmnisse in den Industriestaaten könne man die Armut etwa in Afrika am effektivsten bekämpfen.

In Berlin und Brüssel will Renate Künast (Grüne), Bundes-Verbraucherschutzministerin, ins gleiche Horn stoßen. Die „zum Teil marktverzerrenden Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik“ sollten schrittweise abgebaut werden, fordert man in einem Papier aus ihrem Ministerium. Unter der Überschrift „EU-Agrarpolitik für die Zukunft“ gehen die Beamten scharf mit dieser Politik ins Gericht. Sie trage „zu Überproduktion und fehlender Marktorientierung bei“ und könne „negative Folgen für Natur und Umwelt sowie den Schutz der Tiere“ nicht kompensieren. Auch werde „der weit überwiegende Teil der staatlichen Ausgaben für den Agrarbereich nach wie vor unabhängig von ökologischen und anderen gesellschaftlichen Leistungen vergeben“.

Was tun? Die in diesem Jahr anstehende Halbzeitbilanz der 1999 beschlossenenen europäischen Landwirtschaftspolitik müsse für eine „grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik“ genutzt werden, schlagen Künasts BeamtInnen vor. Vor allem heißt das: Senkung der Produktionsprämien. So solle in Zukunft nicht mehr nur der Anbau von Weizen, Roggen und Mais mit etwa 40 Prozent der allgemeinen Agrarsubventionen unterstützt werden. Man könne mit dem gleichen Geld „eine Flächen-Grundprämie für alle landwirtschaftlichen Nutzungen, einschließlich des Grünlandes, oder eine Betriebsprämie“ zahlen. Damit, so heißt es, wäre „die Benachteiligung der ökologisch wichtigen Flächennutzungen wie Grünland und Kleegras gegenüber Getreide und Silomais aufgehoben“. Mittelfristig sollten Getreidesubventionen und obligatorische Flächenstilllegungen abgeschafft werden.

Beim Rindfleisch sollte nach diesen Vorstellungen das Geld nicht mehr für die Fleischerzeugung gezahlt werden, sondern als Grünlandprämie für die Weidehaltung gewährt werden. Über die Milchquote, deren Ende schon besiegelt schien, solle noch einmal nachgedacht werden. Denn ohne die Quote, so die Befürchtung, würde der Trend schnell zu noch größeren Milchfarmen mit riesigem Viehbesatz führen. Auch hier sollte ein Teil der jetzigen Quote als Grünlandprämie gezahlt werden.

Auch die EU-Marktordnungen für andere landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Zucker, Schaf- und Ziegenfleisch, Reis, Tabak oder Olivenöl sollen nach den Vorstellungen der deutschen Beamten nicht ungeschoren davonkommen. Denn mit dieser Ankündigung biete sich der strategische Hebel zu Veränderungen in der EU-Politik. Während von den Subventionen für Getreide nur die großen Flächenstaaten profitieren, bringen mit jenen anderen Produkten die Südländer ihre Schäfchen ins Trockene. Hier bietet sich möglicherweise Spielraum für die Verhandlungen, lautet das Kalkül.

Das Papier aus Künasts Ministerium sieht keine Absenkung der Subventionen vor. Deshalb hat das Finanzministerium auch Bedenken angemeldet, denn Hans Eichel will weniger an Brüssel zahlen. Offiziell gibt es auch keine deutschen Vorschläge zur Halbzeitbilanz, weil diese nur von der EU-Kommission erstellt werden. Aber man habe Agrarkommissar Franz Fischler wissen lassen, was man in Deutschland plane, heisst es aus dem Ministerium.

Lob für das Papier kommt aus den Umweltverbänden. Positiv sei, dass bei einem Ende der Direktzahlungen nicht mehr „die Vergangenheit belohnt“ werde, weil Früchte wie Roggen und Weizen früher subventioniert wurden. Stattdessen solle nun eine „multifunktionale“ Landwirtschaft unterstützt werden.

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