: Der Priester mit dem Anti-Tutsi-Bulldozer
Lange versteckte sich der ruandische Priester Athanase Seromba in Italien. Jetzt steht er vor dem Völkermordtribunal
BERLIN taz ■ In Italien nannte er sich „Don Anastasio Sumba Bura“. Aber als er am vergangenen Freitag zum ersten Mal vor dem UN-Völkermordtribunal für Ruanda auftrat, war der ruandische Priester Athanase Seromba ein ganz normaler Angeklagter, beschuldigt des Genozids an Ruandas Tutsi im Frühjahr 1994. Er erklärte sich nicht schuldig.
Die UN-Anklageschrift gegen den 37-Jährigen schreibt dem katholischen Priester eine führende Rolle bei der Organisation des Massenmordes an den Tutsi seiner Heimatgemeinde Nyange im Westen Ruandas zu. Am 16. April 1994, acht Tage nach dem Beginn der staatlich organisierten Massaker an 800.000 Menschen in Ruanda, soll Seromba einen Bulldozer losgeschickt haben, seine eigene Kirche platt zu machen – zusammen mit jenen Tutsi, die sich zuvor auf der Flucht vor mordenden Hutu-Milizen in das Gebäude gerettet hatten. Man könne ja die Kirche hinterher wieder aufbauen, habe er gesagt. „Bald danach befahl Pater Seromba den Interahamwe (Hutu-Miliz der damaligen ruandischen Regierungspartei, d. Red.), den Müll wegzuräumen“, fährt die Anklageschrift fort. Gemeint waren damit die Leichen der Tutsi. „Die Leichen wurden in einem Massengrab beigesetzt.“
Seromba war erst ein halbes Jahr vor dem Völkermord Gemeindepriester in Nyange geworden. Es gehörte zur Strategie der damaligen ruandischen Regierung, die Tutsi des Landes nach dem Beginn der organisierten Massaker am 7. April 1994 zur Flucht in Kirchenzentren zu bewegen, wo sie dann von Milizen umstellt und abgeschlachtet werden konnten. Die meisten der 800.000 Opfer des Völkermordes starben auf diese Weise. In Nyange verlief es nicht anders.
Nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation African Rights griffen die Hutu-Milizen am 14. April Serombas Kirche zum ersten Mal an, aber die Tutsi wehrten sich. Am 15. April habe sich Seromba mit dem lokalen Bürgermeister getroffen, um zu überlegen, wie man die „Kakerlaken“ – so nannten Ruandas Hutu-Extremisten die Tutsi ihres Landes – loswerden könne. Man habe sich geeinigt, dass Seromba sie dazu überreden würde, das Kirchengebäude zu verlassen, und sie dann von wartenden Milizen erschossen werden würden. So wurde es auch gemacht, und Seromba selbt soll mitgeschossen haben. Für die Tutsi, die im Gebäude blieben, wurde dann am nächsten Tag der Bulldozer geholt, dessen Fahrer vom Priester bezahlt worden sein soll.
Dass solche Vorkommnisse eine Mitverantwortung der Kirchen Ruandas für den Genozid bedeutet, haben zahlreiche Kirchenleute immer noch nicht begriffen – vor allem nicht in Italien, wohin sich Seromba 1997 rettete und wo er schließlich in Florenz Aufnahme fand. Er predigte als Gemeindepfarrer an der Florentiner Chiesa dell’Immacolata E San Martino A Montughi, als sei nie etwas gewesen, auch nachdem das UN-Tribunal einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausstellte. Italiens Regierung verweigerte noch im Juli 2001 die Auslieferung des Priesters.
Doch der Druck wuchs, und schließlich ging Seromba freiwillig. Er reiste nach Tansania, wo das UN-Tribunal seinen Sitz in der Stadt Arusha hat, und stellte sich am Mittwoch vergangener Woche. Die Kirche in Nyange ist immer noch eine Ruine, und der Boden um sie herum ist voller Leichen. DOMINIC JOHNSON
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