piwik no script img

Milošević greift wieder an

Der exjugoslawische Präsident Slobodan Milošević erhebt in seiner Verteidigungsrede vor dem UN-Tribunal schwere Vorwürfe gegen die Nato. „Monitor“-Beitrag dient als Argumentationshilfe

DEN HAAG rtr/afp/taz ■ Zu heftigen Angriffen auf das UN-Kriegsverbrechertribunal und die westlichen Staaten hat der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milošević gestern den Beginn seiner Verteidigungsrede vor dem UN-Tribunal genutzt.

Den Kriegsverbrecherprozess gegen sich kritisierte er als Schandtat gegen eine ganze Nation. „Das ganze Ding ist eine Manipulation und Lügengeschichte“, sagte Milošević in seiner ersten ausführlichen Erwiderung auf die Anklage, die 66 Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen enthält. Den Nato-Luftkrieg gegen Jugoslawien 1999 bewertete er als Kriegsverbrechen.

In seiner selbstbewusst vorgetragenen Rede sagte Milošević, der sich überwiegend zum Kosovokrieg äußerte, die Nato habe mit ihrem Luftkrieg gegen sein Land das Ziel verfolgt, „Serbien in die Steinzeit zurückzubomben“. Tausende Zivilisten seien getötet worden. Die Nato habe „ganze Stadtzentren in Schutt und Asche gelegt“, es seien mehr Krankenhäuser als Panzer getroffen worden. All dies stelle eine schwere Verletzung der UNO-Charta dar und sei zudem ohne Billigung des UN-Sicherheitsrates geschehen, erklärte Milošević zur Untermauerung seiner These, dass der Nato-Krieg gegen das Völkerrecht verstoße. Serbien habe noch nie einen Krieg begonnen, sagte Milošević.

Zum Auftakt seiner Verteidigungsrede präsentierte Miloše- vić einen Beitrag des WDR-Magazins „Monitor“, um den Nato-Krieg gegen Jugoslawien als Verletzung des Völkerrechts darzustellen. Angebliche Gewaltakte gegen Albaner im Kosovo und deren Vertreibung seien nur ein Vorwand für den Nato-Krieg gewesen, sagte er vor dem UN-Tribunal. In dem „Monitor“-Beitrag kamen Menschen zu Wort, die sagten, die Morde an Kosovo-Albanern 1999 bei Račak seien als Vorwand für die Luftangriffe genutzt worden. Die Anklage hatte in ihrer Eröffnungsrede auf diese Morde verwiesen. Ein Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sagte in dem Beitrag, dass der Nato-Einsatz gegen das Völkerrecht verstoße, weil die Nato kein Mandat dafür gehabt habe.

Nach Angaben eines Beraters von Milošević will dieser führende Politiker des Westens als Zeugen aufrufen lassen, um zu beweisen, dass er in den Kriegen gegen Kroatien und Bosnien mit deren Einverständnis gehandelt habe. Die Klage gegen ihn hatte Milošević als Versuch des Westens gewertet, dessen Einfluss auf dem Balkan zu verbergen.

brennpunkt SEITE 3kommentar Seite 12

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen