Betr.: Leila Noor

„Mit 17 hat mich mein Vater nach Deutschland geschickt.“ Es war ihre erste Reise, in Berlin, wo schon ihr Bruder lebte, sollte sie am Goethe-Institut Deutsch lernen. Hat sie auch. „Das war eine bewegende Erfahrung: Wie viele Rechte, wie viel Freiheit hatten die deutschen Frauen!“ Aber es hat sie auch abgeschreckt. „Ich bin zurück nach Afghanistan und bin dort verlobt und verheiratet worden.“ Zwei Söhne hat sie mit ihrem Mann bekommen, lebte zwischenzeitlich mit ihm in Hannover, wo sie die Modeschule besuchte. „Schon als Kind habe ich Stoffe, Farben, Formen geliebt“.

Politik und Mode, das sind für Laila Noor nicht etwa zwei verschiedene Planeten. „Nach der russischen Invasion sind wir geflohen. In Deutschland habe ich viele Vorträge über mein Land gehalten und dabei jedesmal etwas Selbstentworfenes getragen.“ Auch zum Interview trägt sie ein selbstentworfenes schwarzes Kostüm, in das Stoffflecken aus Afghanistan eingearbeitet sind. „Ich wollte den Leuten etwas von der Kunst und Kultur unseres Landes zeigen“.

Als ihr Mann eine Stelle in Berlin antritt, bleibt sie in Bremerhaven. „Ich wollte nicht wieder eingesperrt sein. Wir sind einmal unter schrecklichen Bedingungen vor dem Kommunismus geflohen.“ Seitdem pendelt ihr Mann, sie hat sich um die Kinder weitgehend alleine gekümmert. „Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr das raten, was ich selbst verkörpere: selbstbewusst sein und sich nicht abhängig machen.“ Und: „Meine Tochter hätte das Recht gehabt, sich ihren Mann selbst auszusuchen“.

Bei allem Fortschritt, den die Frauen in Europa für sich reklamieren können: „Ich habe mich sehr gewundert, dass es hier weniger Frauen im Kabinett gibt als in Afghanistan vor der Invasion.“

Und was fällt ihr zur Weser ein? „Grau. Von zu Hause bin ich Flüsse gewöhnt, die leuchten. Inzwischen finde ich: Besser ein grauer Fluss, als gar keiner.“ hey