: NPD-Verbotsverfahren am Ende?
Diskussion um weiteres Vorgehen neu entbrannt. CDU rechnet mit noch mehr V-Leuten. FDP fordert Ausstieg des Bundestages aus dem Verbotsverfahren. Auch SPD räumt Probleme beim Verfassungsschutz ein. Grüne sprechen von „schlechtem B-Movie“
von NICOLE JANZund ANDREAS WYPUTTA
Nach weiteren Enthüllungen über die Anzahl und die Arbeitsweise von so genannten V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden ist die politische Diskussion um den Fortgang des NPD-Verbotsverfahrens neu entbrannt. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der taz, er rechne mit dem Auftauchen weiterer Maulwürfe: „Es wäre eine Überraschung, wenn es bei den nunmehr zehn der Öffentlichkeit bekannten V-Leuten bliebe.“
Immer deutlicher werde das Dilemma der Verbotsanträge, so Bosbach: „Selbst wenn nur der Antrag des Bundestags zurückgezogen wird, hätte die NPD einen Propagandaerfolg errungen. Sollten die Anträge wegen immer neuer V-Leute scheitern, bekäme die NPD vom Bundesverfassungsgericht gleichsam testiert, nicht originär verfassungsfeindlich zu sein.“
Der Innenexperte der FDP Max Stadler erneuerte seine Forderung, zumindest der Bundestag müsse seinen Verbotsantrag zurückziehen: „Das Verbot ist Sache der Exekutive, deren Aussagen wir mangels eigener Erkenntnismöglichkeiten nicht überprüfen können.“ Die Verbotsanträge sind heftig umstritten, seit bekannt wurde, dass die Verfassungswidrigkeit der rechtsextremen Partei teilweise mit Reden und Taten von V-Leuten belegt werden soll, die vom Verfassungsschutz bezahlt wurden.
Kritik kam auch aus den Reihen der Koalition. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der das Verbotsverfahren wegen der dubiosen Rolle der Verfassungsschutzbehörden seit längerem skeptisch betrachtet, sagte der taz, die Glaubwürdigkeit der drei Verfassungsorgane stehe auf dem Spiel: „Nachdem die Prozessbevollmächtigten bereits am Montag die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist für eine Stellungnahme nur knapp einhalten konnten, muss jetzt schon wieder nachgelegt werden. Das wirkt wenig seriös und souverän.“
Zu Äußerungen des baden-württembergischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Dieter Berberich, es lägen „Erkenntnisse vor“, dass Reden von NPD-Funktionären „eigens von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes angefertigt wurden“, meinte Ströbele: „Wenn das zutrifft, sehe ich ganz schwarz für das Verfahren.“
Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Petra Pau hält Berberich für glaubwürdig: „V-Männer sind bezahlte Täter.“ Sie fühle sich wegen der mangelhaften Informationspolitik als „Geisel“ von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD): „Schily hat moralisch und politisch versagt“, so Pau zur taz.
Der Innenexperte der SPD, Dieter Wiefelspütz, blieb dagegen bei seiner bereits vor Wochen ausgegebenen Linie, das Verbotsverfahren sei nicht in Gefahr: „Die V-Mann-Sucherei hat hysterische Züge angenommen.“ Niemand wolle dem Verfassungsgericht Fakten verheimlichen. Allerdings stelle der föderale Aufbau der Verfassungsschutzbehörden ein Problem dar, räumte Wiefelspütz ein: „Nicht einmal die Präsidenten der einzelnen Verfassungsschutzämter oder Innenminister Otto Schily kennen die Klarnamen der V-Leute.“
Der innenpolititsche Sprecher der Grünen Cem Özdemir forderte deshalb eine Reform des Verfassungsschutzes: „Die Kompetenzen müssen gebündelt werden. Das Ganze erinnert mittlerweile an ein schlechtes amerikanisches B-Movie.“
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