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arbeitsämterHumaner Kapitalismus

Der Statistikskandal der Arbeitsämter ist nicht nur ein Statistikskandal, obwohl es so diskutiert wird. Er ist auch ein Symbol – dafür, dass sich das westdeutsche Wohlfühlsystem endgültig auflöst. Kaum vorzustellen, dass die Bundesanstalt für Arbeit die Forderungen nach „Verschlankung“, „Strukturanpassung“ und „Privatisierung der Arbeitsvermittlung“ als das überlebt, was sie jahrzehntelang für viele Arbeitslose war: ein Ort der Fürsorge, der Sicherheit, der Geborgenheit.

Kommentarvon EBERHARD SEIDELund ULRIKE HERRMANN

Wenn nun die grüne Arbeitsmarktpolitikerin Thea Dückert Modisches über die „konsequente Kundenorientierung in der Arbeitsvermittlung“ vorträgt und andere eine radikale Reform der Arbeitsämter fordern, dann wird deren eigentliche gesellschaftspolitische Bedeutung weitgehend ignoriert.

Arbeitsämter waren schon immer mehr als Jobvermittler. Sie sind bis heute das Versprechen, dass es mit dem Kapitalismus schon nicht so schrecklich werden wird und dass auch bei der heftigsten Kündigungswelle der Fall nicht bodenlos, sondern verhältnismäßig weich sein wird. Gleichzeitig sind die Arbeitsämter Informationsbörsen, an denen jeder, der es braucht und will, die elementaren Tricks und Kniffs zum Überleben im Spätkapitalismus erlernen kann: Wie täuscht man welchen Arbeitsvermittler, wie rettet man sich am besten vor unwürdigen Jobangeboten, und welche Arbeitsmarktprogramme oder Fördermaßnahmen sind gerade im Umlauf?

Natürlich ist es nie falsch, die Arbeit in den Arbeitsämtern zu verbessern, etwa freundliche Empfangsdamen und -herren anzustellen, mehr Beratung und mehr kompetente Zuwendung anzubieten – eben alles, was das Wohlbefinden und die Chancen der Arbeitslosen steigert.

Aber: Auch eine höhere Effizienz in den Arbeitsämtern wird nichts daran ändern, dass etwa 5,5 Millionen Arbeitsplätze fehlen – dies wird sogar durch eine optimierte Verwaltung erst recht auffallen. Und dann?

Bernhard Jagoda und seine mehr als 80.000 Helfer brauchen jetzt die Solidarität all jener, die wissen: Das Chaos hatte doch System. Es hat vielen Erwerbslosen geholfen, sich mit der erzwungenen Freizeit zu arrangieren, sich ein staatliches Einkommen und vielleicht auch die Wunschfortbildung zu organisieren. Man wirft den Arbeitsämtern vor, dass sie nur die Arbeitslosigkeit verwaltet haben. Wer sonst?

inland SEITE 7

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