piwik no script img

Grünes Licht ins Immobiliendunkel

■ Die Grünen wittern Korruption bei den Immobiliengeschäften Bremens mit der Firma Zechbau. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll jetzt Klarheit über die Vergabepraxis bringen

Die Grünen werden in der Bürgerschaft morgen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen. Das Landtags-Gremium soll die Vergabe öffentlicher Grundstücke und Gebäude untersuchen. „Licht in das Dunkel Bremischer Immobiliengeschäfte“ wollen die Grünen nach eigenen Angaben bringen. Ergründet werden sollen nach dem grünen Antrag etwaige „Vorteilsgewährung, Vorteilsnahme oder Begünstigung (Korruption)“ sowie „unzulässige Bevorzugung“ bei Grundstücks- und Immobiliengeschäften Bremens, außerdem „fiskalische Auswirkungen zum Nachteil Bremens“. Konkret geht es den Grünen um mögliche politische Beeinflussungen von Behörden bei Kauf- und Verkaufsentscheidungen sowie Auftragsvergaben. Auch der Verzicht auf gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibungen und Wertermittlungen sowie Nebenabreden und Koppelgeschäfte sollen untersucht werden.

Die Liste der einzelnen Objekte ist illuster: Siemenshochhaus, Polizeihaus, Polizeikaserne, Bahnhofsvorplatz, Großmarkt, Ostkurve des Weserstadions – an allen ist die Firma Zechbau beteiligt, entweder als Bauunternehmer oder als Investor. Lediglich das Contrescarpe-Center von Medienunternehmer Klaus-Peter Schulenberg bildet eine Ausnahme. Schulenberg hatte zugesagt, den Firmensitz seiner CTS Eventim AG mit ingesamt 300 bis 400 Arbeistsplätzen vollständig an die Weser zu verlegen und im Gegenzug das Baugrundstück günstig zu erhalten.

Auslöser für die Forderung der Grünen sind Ermittlungen der Bremer Staatsanwaltschaft gegen Zechbau. Das Unternehmen soll das Privathaus des früher im Bauressort für Vergaben zuständigen Gottfried Zantke auffallend günstig umgebaut haben. Auch die Abrechnung von Handwerkerleistungen über die Baustelle an der Ostkurve des Weserstadions steht in Rede. Groß angelegte Haussuchungen im Dezember deuten indes auf weiter gehende Verdachte hin. Die Staatsanwaltschaft will sich derzeit nicht zum Stand der Ermittlungen äußern, die offensichtlich noch in den Anfängen stecken: In der vergangenen Woche ließen sich Kriminalpolizisten bei einem zweiten Besuch im Bauressort die üblichen Vergabeverfahren erläutern; sie nahmen weitere Akten mit. Unterdessen werden Zeugen vernommen, die bei Gremienentscheidungen über den Zuschlag für Bauobjekte anwesend waren.

Die Fraktionen der großen Koalition gingen gestern deutlich auf Distanz zum Vorgehen der Grünen. Dennoch werden sie dem Grünen-Antrag, wie am Anfang der Wahlperiode vereinbart, zum nötigen Viertel aller Stimmen in der Bürgerschaft verhelfen (siehe Kasten) – „ohne Ansehen des Inhalts“, wie SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen betont. Inhaltlich hält er nämlich nichts vom Grünen-Antrag: „Das sind ganz allgemeine Verdächtigungen, ohne sich sachlich auf Indizien zu stützen.“ Durch die Aufzählung der einzelnen Objekte würde ein Generalverdacht der Korruption aufgemacht. „Wer solch starken Tobak auffährt, hat eine Bringschuld“, so Böhrnsen. Sein CDU-Kollege Jens Eckhoff geht noch weiter: „Das ist eine Maßnahme, die den Wirtschaftsstandort Bremen schädigt.“ Ihm schwant Böses, wenn sich erst einmal herumspreche, „dass Investoren, die hier Geld in die Hand genommen haben, sich hinterher vor Parlamentariern rechtfertigen müssen.“ Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss erscheint ihm das falsche Instrument: Schließlich könne jeder unterlegene Bieter rechtlich gegen Vergaben vorgehen. Und sogar in der eigenen Partei regt sich Unbehagen: Einer, den man zum grünen Urgestein zählen könnte, nannte die Entscheidung der Parteifreunde in der Bürgerschaft „verwegen“.

Jan Kahlcke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen