: Moscheen zum Selbstausmalen
Islamische Kinderbücher und Bilderverbot: Mensch und Tier sind tabu, Moscheen jedoch nicht
Wie sieht eigentlich der liebe Gott aus? Ein alter Mann in langen Gewändern und mit weißem Rauschebart – das ungefähr dürfte das Gottesbild der meisten christlichen Kinder sein. Und Jesus ist entweder ein Baby oder ein schlanker junger Mann mit langem Haar.
Im Christentum gibt es an Bildern keinen Mangel – Kirchen und Museen sind voll mit religiösen Gemälden und Skulpturen. Jahrhundertelang war die christliche Kirche der größte Auftraggeber der bildenden Künste, und heute kann sich der interessierte Christ die Bibel als Comic im Internet ansehen. Die Menschwerdung Gottes in Gestalt seines Sohnes Jesus, sie hat dem Christentum das Bild gegeben.
Muslime akzeptieren Jesus als Propheten, nicht aber als Mensch gewordenen Sohn Gottes, und muslimische Internetseiten bieten den Koran als Audiodatei – nach Bildern sucht man dort vergeblich. Im Islam gilt allein das Wort: Kalligrafie – „Schreibe-Kunst“ – ist die islamische Kunstform, den heiligen Text abzubilden. Während christliche Missionare sich früh der Bilder zur Verbreitung des Christentums bedienen konnten, mussten islamische Geistliche den Koran auswendig rezitieren können – noch heute gilt das als besonderes religiöses Verdienst.
Doch auch in die islamische Lehre haben Bilder Eingang gefunden: vor allem in religiöse Kinderbücher. Bücher zum Erlernen des richtigen Betens und der rituellen Waschungen, der Koran, kindgerecht erzählt, oder Geschichten aus dem Alltag frommer Muslime – das Angebot auch an deutschsprachigen Büchern für muslimische Kinder und Jugendliche ist mittlerweile groß. Ob „Sunna für Kinder“, „Gutenachtgeschichten für kleine Muslime“, die spannende Geschichte von Hamdi Hartmann, der Lokomotive, die muslimische Pilger nach Mekka brachte, oder der Jugendroman „Ali liebt Fatima“ – sie alle dienen der religiösen Unterweisung, und: Fast alle sind bebildert. Doch wer die Geschichten über den kleinen Yusuf und seine fromme Familie liest, sieht zwar Bilder von deren Haus und aus der Wohnung – wie aber Yusuf, seine Eltern oder seine Geschwister aussehen, muss sich der Leser selbst ausdenken. Und auch den treuen Lokführer Ali der Hedschas-Lokomotive Hamdi muss man sich vorstellen – gezeigt wird er nicht. Nur sehr wenige Buchillustrationen bilden Menschen und Tieren ab, und wenn, dann möglichst wenig naturgetreu. Sie erinnern entweder an Comiczeichungen oder sind Skizzen, die nur im Umriss beispielsweise die richtigen Positionen beim islamischen Gebet andeuten. Ansonsten zeigen die Bilder Gebrauchsgegenstände, Landschaften oder historische Schauplätze und gerne und immer wieder Moscheen. Die gibt’s auch als Puzzle, als Holzbausätze oder als Malbuch: „Moscheen zum Buntmalen“.
Im Vorwort dieses Malbuchs nimmt die Autorin auf das Bilderverbot Bezug: „Liebe Kinder! Ihr wisst, dass das Malen von Mensch und Tier im Islam verboten ist. Deshalb habe ich euch ein Malbuch mit Moscheen vorbereitet. […] Ferner habt ihr auf den freien Seiten fertige Rahmen für eure eigenen Malereien, die nicht unbedingt Moscheen sein müssen. Hier könnt ihr für eure Malfreude frei entscheiden, ob ihr dazu Bilder aus dem Leben eines Muslims – wie zum Beispiel einen schönen bunten Gebetsteppich – oder die herrliche Natur wählt, die Allah uns gegeben hat. Ich wünsche euch viel Freude und wäre jedem von euch dankbar, der mir ein Bild oder mehrere bunte Bilder – ohne Mensch und Tier – schenkt, die ich später für eine Kinderkunst-Ausstellung verwenden darf.“
Aber keineswegs alle Muslime legen das Abbildungsverbot für Kinder so streng aus. „Kinder dürfen im Prinzip alles malen“, sagt die zum Islam konvertierte Deutsche Iman Reimann, die in einer Buchhandlung für islamische Literatur arbeitet. Die gelernte Erzieherin ist selbst Mutter, und meint, man müsse es mit Humor tragen, wenn kleine Kinder auch mal den lieben Gott malen: „Erst wenn sie alt genug sind, sie zu verstehen, kann man Kinder an die islamischen Vorschriften heranführen.“ Es komme beim Malen oder beim Basteln ja auch auf die damit verbundene Absicht an.
Der Islam verbietet die Abbildung Gottes und seiner Geschöpfe, weil der Mensch sich als von Gott Erschaffener seinen Schöpfer gar nicht vorzustellen vermag und weil er sich als Kunstschaffender nicht selbst zum Schöpfer machen soll. Außerdem soll das Bilderverbot verhindern, dass menschengeschaffene Abbildungen als Götzenbilder angebetet werden. Wer aber im Zustand kindlicher Unschuld frei von solchen Motivationen ist, darf ruhig ein kleines Plüschkamel selbst nähen. Im Taschenbuch „Islam für Kinder“ findet sich eine Anleitung dafür.
ALKE WIERTH
Ein gutes Angebot an deutschsprachiger muslimischer Kinderliteratur bietet die Buchhandlung Green Palace in Berlin, deren Angebot auch über eine Seite im Internet bestellt werden kann: www.greenpalace.de
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