: Farbschock im Frauengefängnis
Projektionen auf den Körper: Die Ausstellung „Outside/Inside Woman’s Life“ in der Galerie Giedre Bartelt präsentiert neue Arbeiten litauischer Fotografen und Fotografinnen, die auf ihre Weise um das Thema der Weiblichkeit kreisen
„Alles, was von Männern über Frauen geschrieben wurde, muss verdächtig sein“, mahnte einst der französische Aufklärer Poulain de la Barre. Alles, was von Männern an Frauen fotografiert wurde, möchte man hinzufügen, ebenso. „Outside/Inside Women’s Life“ mag eine solch suspekte Angelegenheit sein. Die Fotoschau, die derzeit in der Galerie Giedre Bartels gezeigt wird, vereint drei zeitgenössische litauische Fotografen und ihre Sicht auf die Weiblichkeit.
Auffällig ist, dass es hier vorwiegend Männer sind, die festlegen, wie es diesseits und jenseits des weiblichen Körpers so ausschaut. Da ist zum Beispiel der „Torso“-Zyklus von Gintautas Trimakas. Auf zahlreichen Schwarzweißbildern hat Trimakas Frauen seines Bekanntenkreises in die Pose eines antiken Venus-Torso gesteckt. Wie auf den von Barbaren zerstörten griechischen Götterstatuen zeigen diese Frauen lediglich ihre Brustpartien – mal bekleidet mit der neuesten Mode, mal völlig nackt oder nur mit einem altmodischen BH bedeckt.
Galt derartige Zurschaustellung von Weiblichkeit im katholisch geprägten Litauen lange als Provokation, so will Trimakas diese Bildtabus durchbrechen. Einen neuen Blick auf das andere Geschlecht indes liefert er mit diesem Konzept nicht.
Mit der Wiederentdeckung antiker Mimesiskonzepte für die Fotografie schiebt er die Porträtierten in jenes Zwielicht zurück, das für den männlichen Blick stets typisch war: Trimakas Frauen, sie sind ganz Hure und ganz Heilige.
Völlig anders ist der Zugang von Stanislovas Bagdonavicius: Auf einer 1998 entstandenen Dokumentarserie über das Frauengefängnis in Panevezys zeigt er Frauen, die wie aus der Zeit gefallen wirken. Mittels speziellem Fotopapier, das das sonst so harte dokumentarische Schwarzweiß bräunlich einfärbt, wollen seine Bilder eine falsche Historizität vorgaukeln. Die streng geometrischen Bildaufbauten, die Kleidung und die oft skurrilen Riten wirken wie Dokumente aus Zeiten, in denen die baltischen Staaten noch Teil der vereinigten Sowjetrepubliken waren.
Doch wenn Bagdonavicius diese Fotos am Ende mit knalligen Farbfotografien bricht, dann ahnt man, wie die schnelllebigen letzten zehn Jahre vor dem litauischen Frauengefängnis ausgesperrt wurden.
Dass die Kuratorin Ieva Kuiziniene mit Nomeda Urboniene am Ende doch noch einen weiblichen Standpunkt zum Thema abklopfen lässt, wirkt hehr, aber unmotiviert. Denn Urboniene, die an der Kunstakademie in Vilnius klassische Grafik studiert hat, versteht sich weniger als Fotografin denn als Künstlerin, die verschiedenste Medien in ihre Arbeit einbezieht. Mittels inszenierter Schwarzweißbilder spielt sie hier mit den Grenzen von Virtualität und Wirklichkeit. In aseptisch wirkenden Räumen bricht sie überkommene weibliche Rollenzuschreibungen und erprobt spielerisch neue Rituale von Geschwisterlichkeit.
Wer ihre Bildwelten als zu steril empfindet, der darf hoffen, dass die in ihren Genres avancierten Fotografen nicht repräsentativ sind für die junge litauische Frauenfotografie. Andernfalls bliebe tatsächlich nur dieses zaghafte Vortasten – experimentell und keimfrei, wie Feminismus unter Laborbedingungen.
RALF HANSELLE
„Outside/Inside Women’s Life“. Fotografien von Stanislovas Bagdonavicius, Gintautas Trimakas und Nomeda Urboniene. Noch bis zum 2. März 2002 in der Galerie Giedre Bartelt. Wielandstr. 31. Di–Fr 14–18.30, Sa 11–14 Uhr
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