: An die Arbeit, Beamte!
Erste rot-rote Sparrunde für den öffentlichen Dienst: Westbeamte müssen eine halbe Stunde mehr arbeiten. Sonderregelungen für Schichtdienstler entfallen. Körting: Kein Opfer, sondern Normalität
von ROBIN ALEXANDER
So haben sich Berlins Beamte die innere Einheit wahrscheinlich nicht vorgestellt: Gestern beschloss der Senat die Angleichung der Arbeitszeiten der Staatsdiener im Westteil an die ihrer Ostkollegen. Die arbeiten schon seit der Vereinigung 40 Stunden in der Woche, im Westen hingegen wird bisher eine halbe Stunde weniger geackert. Angleichung auf Ostniveau also. Durch die Mehrarbeit werden 200 Stellen eingespart. 100 weitere Stellen fallen weg, weil eine neue Pausenregelung für Polizisten im Schichtdienst verabschiedet wurde. Beide Maßnahmen zusammen sollen jährliche Einsparungen von 22 Millionen Euro erbringen. Nicht von der Arbeitszeiterhöhung betroffen sind Lehrer und Hochschullehrer. Die Beamten sollen zudem erstmals einen Eigenanteil für ihre Krankenversicherung zahlen. Dieser liegt, je nach Einkommen, zwischen 50 und 770 Euro im Jahr.
Die Neuregelungen, betonte Innensenator Erhardt Körting (SPD), würden in ähnlicher Form in der Mehrheit der Bundesländer praktiziert: „Das sind keine Einschnitte und keine Sonderopfer, sondern nur ein bisschen mehr Normalität“. Berlin habe sich in der Vergangenheit zahlreiche Sonderregelungen geleistet. So wurde bestimmten Beamten im Schichtdienst fünf Tage „Winterzusatzurlaub“ gewährt, wenn sie ihren Urlaub nicht in den Sommerferien nehmen konnten. Diese ungewöhnliche Regelung wurde zwar bereits 1982 abgeschafft, bestand jedoch als Übergangsregelung 20 weitere Jahre fort. Noch 2001 nahmen 283 Mitarbeiter der Stadtverwaltung „Winterzusatzurlaub“. Körting kommentierte die Veränderungen im Landesbeamtengesetz: „Der öffentliche Dienst ist in Berlin in der Vergangenheit manchmal wie ein Selbstbedienungsladen behandelt worden. Diesen Selbstbedienungsladen schließen wir jetzt.“ Auf Nachfrage erklärte Körting, durch Angleichung der Berliner Regelungen an den Standard anderer Bundesländer ließen sich 50 Millionen Euro jährlich einsparen.
Kürzungen in weit größerer Dimension beschloss der Senat gestern nach den Vorgaben von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Die legendäre „erste von zwei Milliarden“ (Mark), auf die sich SPD und PDS in den Koalitonsverhandlungen geeinigt hatten, ist nun beschlossen. Um 555 Millionen Euro sollen die Personalausgaben bis zum Ende der Legislaturperiode sinken. In diesem Jahr sollen 109 Millionen Euro eingespart werden, indem 2.500 Stellen wegfallen. Zwei Drittel davon sollen aus der Hauptverwaltung, ein Drittel aus den Bezirken kommen. Bis 2006 soll es insgesamt 11.880 Stellen weniger geben. In den Koalitionsverhandlungen waren SPD und PDS noch von 15.000 Stellen ausgegangen. Bis 15. Mai sollen die Senatsverwaltungen konkrete Umsetzungen für die Sparpläne vorschlagen.
Der Finanzsenator nannte die gestern beschlossenen Einsparungen eine „große, aber unbedingt notwendige Aktion“. Sarrazin: „Trotz dieser beachtlichen Entlastung werden unsere Ausgaben im Personalbereich weiter steigen“. Auf Kürzungen im Umfang von weiteren 500 Millionen Euro will sich der Senat in Verhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes einigen. Die zeigen bisher allerdings wenig Bereitschaft über einen sogenannten „Solidarpakt“ zu verhandeln.
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