: Rau begnadigt RAF-Mitglied
Bundespräsident Rau erlässt Adelheid Schulz nach 16 Jahren Haft die Strafe. Zuletzt erhielt das frühere RAF-Mitglied wegen schlechten Gesundheitszustands Haftverschonung. Gnadengesuch für andere Gefangene
von WOLFGANG GAST
Bundespräsident Johannes Rau hat das zu lebenslanger Haft verurteilte ehemalige Mitglied der Roten Armee Fraktion, Adelheid Schulz, begnadigt. Wie das Bundespräsidialamt gestern in Berlin erklärte, fiel die Entscheidung Raus bereits am 1. Februar.
Adelheid Schulz war am 10. November 1982 zusammen mit Brigitte Mohnhaupt an einem Erddepot der RAF nahe Frankfurt festgenommen worden.
1985 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf Schulz wegen Beteiligung an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 und der Erschießung des Bankiers Jürgen Ponto wenige Wochen zuvor zu dreimal lebenslanger Haft. 1994 folgte vor dem OLG Stuttgart auf Basis von Kronzeugenaussagen der in der DDR festgenommen RAF-Aussteiger erneut ein „Lebenslang“-Urteil. Mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand war die Strafvollstreckung nach Verbüßung von rund 16 Jahren Haft im Oktober 1998 unterbrochen worden.
Von den verbliebenen Gefangenen der RAF kam zuletzt Rolf Heißler nach 18 Jahren Haft im Oktober vorigen Jahres auf Bewährung frei. In deutschen Gefängnissen sitzen noch fünf weitere ehemalige Mitglieder der inzwischen aufgelösten Guerilla: Rolf-Clemens Wagner, Eva Haule, Birgit Hogefeld, Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar.
Für die fünf liegt seit Januar 1999 ein ungewöhnliches Gnadengesuch auf dem Schreibtisch des Bundespräsidenten. Das Gesuch stellten der Sprecher des linksliberalen Komitees für Grundrechte und Demokratie, Wolf-Dieter Narr, und der Limburger Pfarrer Hubertus Janssen. Ungewöhnlich auch, dass das Gesuch nicht auf dem Briefpapier des Komitees, sondern auf dem der Freien Universität Berlin, wo Narr Politikwissenschaft lehrt, geschrieben wurde. Weiter: Die Häftlinge erfuhren erst auf Umwegen von der Initiative. Die Initiatoren baten den damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, alle inhaftierten RAFler „kollektiv und zugleich jede Person individuell zu begnadigen“. Kritiker monierten: Ein Verstoß gegen das individuelle Gnadenrecht. Das Bundespräsidialamt bestätigte seinerzeit den Eingang des Schreibens – und hüllt sich seither in Schweigen. Bewährte Praxis sei, hieß es gestern im Hause von Johannes Rau, solche „Sammel-Gnadengesuche allenfalls als Anregung für individuelle Gnadengesuche zu betrachten“.
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