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„Undemokratisches Machtkartell“

Peter Mattmann, ehemaliger linksgrüner Politiker und Gegner eines UNO-Beitritts, kritisiert die UNOals „Agentur zur weltweiten Durchsetzung der Globalisierung“ und als verlängerten Arm der USA

taz: Bei der letzten Volksabstimmung im Jahre 1986 haben Sie und ihre Mitstreiter in der „Chance 21“ noch mit Begeisterung für den UNO-Beitritt der Schweiz gestimmt. Welche Einwände haben Sie heute dagegen?

Peter Mattmann: Die Schweiz ist bereits ein aktives Mitglied in den meisten UN-Sonderorganisationen und beteiligt sich auf freiwilliger Basis und mit Geld an Hilfsprogrammen der UN. Ein Beitritt zur politischen UNO brächte der Schweiz darüber hinaus keinerlei Vorteil, sondern nur Nachteile: Die Schweiz würde dem von der Großmacht USA angeführten undemokratischen Machtkartell des Sicherheitsrates unterworfen, der heute entscheidet, gegen welche Länder Krieg geführt wird. Das war 1986 noch anders. Damals war die UNO noch Friedensstifterin statt Kriegsmacht. Zudem ist die UN heute eine Agentur zur weltweiten Durchsetzung der Globalisierung so wie die EU auf europäischer Ebene. Von dieser Globalisierung ist die Schweiz in ihrer Existenz noch mehr bedroht als andere Staaten.

Wieso?

Die Schweiz wurde einst gegründet als freiwilliger Zusammenschluss von Städten und Gemeinden und verschiedensprachigen Volksgruppen, die sich die benachbarten Großmächte vom Leib halten wollten. Die direkte Demokratie ist Ausdruck dieser Besonderheit. Ihre Partizipationsmöglichkeiten halten die Schweiz zusammen. Ohne die direkte Demokratie würden sich die Sprachregionen an Frankreich, Deutschland und Italien anschließen. Bei einem UNO-Beitritt würde die Schweiz Kompetenzen nach oben abgeben. Das würde die direkte Demokratie aushöhlen.

Aber eine UN-Mitgliedschaft böte der Schweiz doch die Chance, über die politische Ausrichtung der UNO mitzuentscheiden und die Kräfte in der Generalversammlung zu verstärken, die eine Reform und Demokratisierung der UNO anstreben sowie einen Abbau der Dominanz der USA und anderer Großmächte.

Die Reformbestrebungen halte ich angesichts der Interessen der fünf Vetomächte im Sicherheitsrat für aussichtslos. Zudem hätte die Schweiz als einer – zumal sehr kleiner – unter insgesamt 190 Mitgliedstaaten keinen Einfluss. Davon abgesehen, verfolgten zumindest die bisherigen Regierungen der Schweiz ja gar keine fortschrittlichen Positionen, deren stärkere Vertretung in der UNO ich mir als Grüner wünschen würde. Zum Beipiel hätte die Schweizer Regierung 1999 entschieden gegen den Jugoslawienkrieg der Nato protestieren und auf der Einhaltung des Völkerrechts bestehen müssen.INTERVIEW: ANDREAS ZUMACH

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