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Erfolglos verwanzt

Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum großen Lauschangriff ergibt: In 41 von 70 Wanzeneinsätzen kam nichts Verwertbares heraus

BERLIN taz ■ Der große Lauschangriff, von seinen Befürwortern als kriminalpolizeiliches Wundermittel angepriesen, erweist sich im Alltag als nicht besonders bedeutend. Das geht aus dem ersten „Erfahrungsbericht der Bundesregierung“ hervor, den Rot-Grün nach einem Beschluss des Bundestages bis Anfang Februar vorlegen musste.

Von 1998 bis Ende 2000 wurden laut Bericht bundesweit in nur „insgesamt 70 Verfahren in 78 Wohnungen akustische Wohnraumüberwachungen angeordnet und vollzogen“. Zum Vergleich: Allein 1999 wurde nach den Angaben des Bundesdatenschutzbeauftragten in 12.651 Fällen eine Telefonüberwachung durchgeführt. Nicht nur die Anzahl der großen Lauschangriffe ist niedrig geblieben, gering scheint auch deren Effizienz. In 41 der 70 Verfahren „waren die aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse nicht für das Ermittlungsverfahren von Bedeutung“, heißt es in dem Bericht weiter. Anlass für den Wanzeneinsatz sei in nahezu 90 Prozent der Verdacht einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz – Drogenhandel also – oder eines Tötungsdeliktes gewesen. Die Überwachungsdauer habe von 35 Minuten bis zu vier Wochen gereicht.

Dass die Polizeipraktiker nicht so häufig auf den Wanzengebrauch zurückgreifen, mag auch den vergleichsweise hohe Kosten liegen, die nach der Studie vor allem durch Dolmetscherhonorare in die Höhe getrieben werden. Abschließend heißt es in dem 13-seitigen Bericht: „Die praktischen Erfahrungen mit dem erst seit gut dreieinhalb Jahren gegebenen Ermittlungsinstrumentarium erlauben noch keine definitiven Aussagen und Schlussfolgerungen“.

Der FDP-Politiker und ehemalige Vizepräsident des Bundestags, Burkhard Hirsch, sieht das anders. Er kritisiert den Bericht in der Zeit als „Wanzenbericht“, der viel zu pauschal sei. Wenn „die Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung wie eine Lappalie und die Kontrolle wie ein lästiges Ritual zur Beruhigung nervenschwacher Zeitgenossen behandelt werden, dann muss der große Lauschangriff wieder verboten werden.“ WOLFGANG GAST

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