: Warmlaufen für den 1. Mai
Pläne für einen friedlichen und polizeifreien 1. Mai in Kreuzberg stoßen in der autonomen Szene auf Ablehnung. Die AAB hält an ihrem Konzept fest und meldet „revolutionäre Demo“ an – nach Mitte
von FELIX LEE
Randale oder Volksfest? Nach 15 Straßenschlachten zwischen Polizisten und Demonstranten in den letzten Jahren könnte dieser Erste Mai in Kreuzberg zum ersten Mal anders verlaufen. Und zwar gewaltfreier. Denn anders als in den vergangenen Jahren kommt der Vorschlag eines Straßenfestes im östlichen Kreuzberg nicht von der Innenverwaltung oder von der Polizei, sondern aus linken Kreisen. Die Pläne des Personenbündnisses um den FU-Professoren Peter Grottian, den konfliktreichen Demonstrationen der vergangenen Jahre ein politisches Straßenfest in Kreuzberg ohne Polizei entgegenzusetzen, hängen aber nicht nur davon ab, ob sich Innensenator und Polizei auf das Konzept einlassen werden. Die Polizei denkt nach Angaben der Berliner Morgenpost tatsächlich über eine reduzierte „Notfallpräsenz“ in Kreuzberg nach. Der Vorschlag stößt vor allem in Teilen der linksradikalen Szene auf Ablehnung. Und sie war zumindest in den letzten Jahren für die Mobilisierung eines großen Teils der Szene verantwortlich.
Die linke Kritik gilt vor allem der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB). Die AAB, eine der wichtigsten autonomen Gruppen der Stadt, hatte früher 1.-Mai-Demonstrationen mit organisiert, in deren Verlauf es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Ausnahme war das letzte Jahr, als die Demonstration vom damaligen Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gleich ganz verboten wurde. Nun beteiligt sich die AAB am Personenbündnis, das einen friedlichen und polizeifreien 1. Mai in Kreuzberg organisieren will. Gleichzeitig meldete die AAB jedoch eine „revolutionäre Demo“ an, die zum Regierungssitz nach Mitte führen soll.
„AAB – von euch hätten wir mehr erwartet“, empören sich Linke auf Indymedia, einem linken Internetportal. Ein andere Zuschrift bezeichnet die AAB gar „als Jugendorganisation der Grünen“. Inzwischen sind mindestens vier Papiere im Umlauf, die das Bündnis und die AAB scharf verurteilen. Das Personenbündnis versuche über die Gewaltfrage, die linke Szene zu spalten; die studentische Gruppe um den Politologieprofessor Grottian sei eine unpolitische Initiative, die nur ihre Feldforschungen betreiben wolle, heißt es.
Die AAB rechtfertigt indessen ihr Vorhaben. Sie verfolge eine Strategie, mit linken Positionen auf das bürgerliche Bündnis einzugehen. Zudem habe sie ohne die Unterstützung der Bevölkerung auf Dauer nicht die Stärke, Demonstrationen gegen ein Verbot des Innensenators durchzusetzen. Der Streit um die Beteiligung der AAB an dem Personenbündnis ging zwischenzeitlich so weit, dass auf einem Treffen linksradikaler Gruppen die AAB ausgeschlossen wurde – während eine Vertreterin der Regierungspartei PDS bleiben durfte.
Dabei ist die AAB nicht die einzige Gruppe aus dem linksradikalem Spektrum, die sich einen „anderen 1. Mai“ wünscht. Schon in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Stimmen, die „weg von den Krawallen, zurück zur Politik“ wollten. In der Tat sei es so, „dass für viele Linke die politische Bedeutung des 1. Mai nicht mehr erkennbar ist“, sagt Sven Glückspilz, ein Aktivist aus dem Umfeld der autonomen Szene. Glückspilz begrüßt daher einen friedlichen und polizeifreien 1. Mai im Kreuzberger Kiez und wünscht sich eine Kooperation zwischen Linksradikalen und dem Personenbündnis. Zugleich schlug er – wie die AAB – vor, den Schwerpunkt der Proteste auf das Regierungsviertel in Mitte zu verlegen.
Das Personenbündnis um Professor Peter Grottian könnte sich darauf sicher einlassen, vielleicht sogar auch Innenverwaltung und Polizei. Denn von einem polizeifreien Bezirk Mitte war bisher noch nie die Rede.
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