piwik no script img

Tora Bora der US-Regierung

Falls Washington in die Luft fliegt, wird die Weltmacht aus geheimen Atombunkern regiert, die seit dem 11. September mit bis zu 150 Mitarbeitern einsatzbereit sind

WASHINGTON taz ■ Die USA haben sich unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September auf eine möglichen Atombomben-Anschlag auf Washington vorbereitet. Rund hundert höhere Beamte wurden für eine Notregierung ausgewählt und in atomsichere Bunker geschickt.

Mit dem Einsatz sei erstmals ein geheimer Notfallplan aus den Zeiten des Kalten Krieges in Kraft getreten, berichtet die Washington Post gestern. Hintergrund sei die Befürchtung gewesen, die Terrororganisation al-Qaida von Ussama Bin Laden könne in den Besitz einer tragbaren Atomwaffe gelangt sein.

Dafür gebe es zwar keine Hinweise, das Risiko sei aber als groß genug eingeschätzt worden, um den Aufwand für das Notkabinett zu rechtfertigen, berichtete die Zeitung. Die so genannte „Regierung der Kontinuität“ solle als Vorsichtsmaßnahme auf unbestimmte Zeit einsatzbereit bleiben. Die Anzahl der Regierungsvertreter im Bunker schwanke zwischen 70 und 150. Es gelte ein Rotationsprinzip: Alle 90 Tage würde die Mannschaft aus ihrem 24-Stunden-Dienst abgelöst.

Die zentrale Aufgabe bestünde darin, im Falle eines Anschlags auf Washington die wichtigsten Regierungsfunktionen aufrecht zu erhalten, Lebensmittel- und Wasserversorgung sowie Kommunikations- und Transportwege zu sichern.

Nur die wichtigsten Abteilungen des Weißen Hauses sind in der Notregierung vertreten. Kongress und Justizappart haben eigene Notfallpläne. Die entscheidenden Kommandozentralen des Pentagon sind ohnehin auf einen Atomschlag vorbereitet und in dezentralen Gebirgsbunkern untergebracht.

Die Washington Post hat auf Bitten des Weißen Hauses darauf verzichtet, die geheimen Standorte der Notregierung zu veröffentlichen. Nach einem früheren Bericht des Time Magazine soll es sich bei einem der Bunker um die sogenannte Mount-Weather-Militärbasis im ländlichen Virginia handeln, rund 60 Kilometer südwestlich von Washington. Dort könnten 200 Menschen bis zu einem Monat isoliert von der Außenwelt überleben.

Der erste Ernstfalleinsatz offenbarte jedoch auch die Schwächen der bereits in die Jahre gekommenen und bislang nur zu Übungszwecken benutzten Bunker. So seien die Computer veraltet und ließen sich nicht mit den Rechnersystemen der Regierung vernetzen. Zudem gebe es nicht genügend Telefonleitungen.

Der nun bekannt gewordene Notfallplan könnte auch das Geheimnis lüften um die häufige Abwesenheit von Vizepräsident Dick Cheney innerhalb der vergangenen fünf Monate. Über seinen Verbleib wurde in Washington bereits gespottet: „Wir wissen zwar nicht wo Bin Laden ist, haben aber Dick Cheney gesichtet …“ Um die Amtsfolge im Falle präsidentiellen Ablebens zu sichern, hält sich Cheney nur noch in seltenen Ausnahmefällen am gleichen Ort auf wie Bush.

MICHAEL STRECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen