: Geknebelt bis zum Erstickungstod
Seit gestern müssen sich drei Fremdenpolizisten im österreichischen Korneuburg vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, einen nigerianischen Flüchtling bei seiner Abschiebung in einem Flugzeug zu Tode gequält zu haben
von RALF LEONHARD
Wurde der Nigerianer Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung zu Tode gequält oder bedienten sich die drei Fremdenpolizisten gängiger Methoden und handelten daher rechtmäßig? Dieser Frage geht seit gestern das Landesgericht Korneuburg bei Wien nach. Drei ehemalige Innenminister, sie alle Sozialdemokraten, sollen als Zeugen zur Klärung beitragen. FPÖ-Justizsprecher Harald Ofner bekundet durch seinen Rechtsbeistand für einen der Beschuldigten das Interesse seiner Partei an dem Fall. Beobachtet wird der Prozeß vor allem von Menschenrechtsorganisationen, die seit langem die unmenschliche Abschiebungspraxis anprangern.
Marcus Omofuma, 25, wurde am 1. Mai 1999 auf einem Linienflug der Balkan-Air nach Sofia transportiert. Von dort hätte er in sein Heimatland deportiert werden sollen. Dazu kam es nicht mehr, denn bei der Landung in Bulgarien war der Nigerianer tot. Erstickt, diagnostizierte ein bulgarischer Gerichtsmediziner bei einer ersten Autopsie. Der Schubhäftling war mit Klebebändern an den Sitz gefesselt worden. Den Mund hatte man ihm ebenfalls mit Klebebändern geknebelt und den Kopf mit ebendiesen Bändern an die Rückenlehne fixiert. Der unerwünschte Asylwerber konnte also nicht nur nicht sprechen, auch die Flüssigkeitsaufnahme war ihm verwehrt. Seine Angstzustände konnte er nur durch heftiges Schnaufen zum Ausdruck bringen. Auch das nur bedingt - das rechte Nasenloch war durch den Klebestreifen teilweise verstopft.
Dem mit Rücktrittsforderungen attackierten Innenminister Karl Schlögl eilte zwei Wochen später ein Wiener Gutachter zu Hilfe, der am Leichnam des Afrikaners eine Herzmuskelentzündung konstatierte, die während des Fluges zu Herzversagen geführt haben könne. Also kein Fremdverschulden. Bis zum dritten Gutachten vergingen Monate und die Krise wurde politisch ausgesessen. Die Untersuchung des deutschen Gerichtsmediziners Bernd Brinckmann bestätigte die Analyse des bulgarischen Kollegen und lieferte die Grundlage für die Strafverfolgung der Fremdenpolizisten, die nur suspendiert, jedoch mit keinen disziplinarrechtlichen Sanktionen belegt worden waren.
Die Anklage lautet auf Quälen eines Gefangenen mit Todesfolge. Ein Delikt, auf das bis zu zehn Jahre Haft stehen. Der Todeskampf Omofumas muß 20 bis 60 Minuten gedauert haben, so die Gutachter. Die Fremdenpolizisten ließen sich auch nicht durch besorgte Passagiere aus der Ruhe bringen, die fragten, ob der Gefange noch am Leben sei. Sie hätten bemerken müssen, daß der Afrikaner keine Luft bekam und die Abschiebung abbrechen müssen, begründet die Staatsanwaltschaft ihre Anklage.
„Nicht schuldig“ plädieren die Anwälte, die argumentieren, ihren Mandanten könne kein Vorsatz des Quälens nachgewiesen werden. Verteidiger Farid Rifaat sieht seine Mandanten als Opfer „einer politisch aufgeschaukelten Situation“ und Harald Ofner, der ehemalige Justizminister der FPÖ, führte an, daß es damals praktisch keine Vorschriften für Abschiebung gegeben habe. Das Knebeln renitenter Ausländer sei gängige Praxis gewesen.
Diese Praxis wurde verboten. Als weitere Konsequenz des Falles wurde ein Menschenrechtsbeirat eingerichtet, der auf Mißstände bei Polizei und Fremdenbehörde hinweisen kann. Die politsche Verantwortung für den Tod Omofumas hat niemand übernommen. Menschenrechtsorganisationen und Caritas stellen die Frage, warum es nötig ist, Menschen, deren einziges Verbrechen darin besteht, keine Aufenthaltsgenehmigung oder zu wenig Geld zu besitzen, so brutal ausser Landes zu schaffen. Das Urteil soll Mitte April ergehen.
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