: Experte rüffelt Schlossfans
Peter Conradi, Präsident der Bundesarchitektenkammer und Mitglied der Schlossplatzkommission, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Beschlüsse des Gremiums. „Vergangenheitssymbol ist abwegig“
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Wenn sich heute die Internationale Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ zu ihrer abschließenden Sitzungsrunde trifft, verabschieden sich einige Teilnehmer im Groll über die Beschlüsse des Gremiums. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) hatte sich bereits im Januar gegen die Kommissionsempfehlung, den Schlossplatz in seiner historischen Dimension zu rekonstruieren, ausgesprochen und einen Architekturwettbewerb für das Schlossareal gefordert. Exkultursentorin Adrienne Goehler befürwortet ein modernes Bauwerk anstelle barocker Fassaden. Und auch ihr Nachfolger im Senat Thomas Flierl (PDS) will sich mit der Entscheidung des Gremiums, das sich nach einjähriger Arbeit für den Wiederaufbau des 1950 gesprengten Schlüterbaus aussprach, nicht anfreunden.
Mit massiver Kritik an den Empfehlungen und am Verfahren der Kommission „Historische Mitte Berlin“ beendet auch eines der renommiertesten Mitglieder in der Runde seine Arbeit: Peter Conradi, Präsident der Bundesarchitektenkammer (BAK). In einem „Sondervotum“, das der taz auch schriftlich vorliegt, verurteilt Conradi den „restaurativen Charakter“ der Pro-Schloss-Empfehlungen und die Mutlosigkeit der Experten für moderne bauliche Lösungen.
Conradi kritisiert zudem, dass sich die Experten einer öffentlichen Diskussion zum Thema nicht gestellt, sich regelrecht an das „Bild des ehemaligen Schlosses geklammert“ und „nicht genehme Gestaltungsvorschläge ausgeschlossen“ hätten.
Schließlich sei ihm vorgehalten worden, dass er als BAK-Chef nicht für die Gesamtheit der deutschen Architektenschaft sprechen dürfe. Dies grenze an ein „Verbot der eigenen Meinung“. Im Unterschied zum Kommissionsvorsitzenden Hannes Swoboda (Wien), der die Atmosphäre des Gremiums lobte, sprach Conradi von „schmerzlichen“ Erfahrungen: „Die Arbeit war angesichts der Feindseligkeit der Kommissionsmehrheit gegenüber zeitgenössischer Architektur nicht leicht“.
Einverstanden zeigte sich Conradi mit den Nutzungsempfehlungen. Die Idee, das Schlossareal für öffentliche Nutzungen bereitzustellen und als ‚Humboldtforum‘ für Kultur, Museen, Naturwissenschaft, Technik und Information zu entwickeln, bedeute eine Aufwertung des historischen Ortes, so der BAK-Präsident.
Im Gegensatz dazu sei die Empfehlung „bei der künftigen Gestaltung des Areals von der Errichtung eines Gebäudes in der Stereometrie des einstigen Berliner Stadtschlosses auszugehen“ gleich mehrfach fragwürdig. Zum einen, so Conradi, würden durch diese Festlegung andere städtebauliche und architektonische Lösungen von vornherein ausgeschlossen. Zum anderen berücksichtige eine Schlosskopie nicht die „Zeitschicht des Ortes nach 1945“. Die Fokussierung auf eine Schlossvariante mache „keinen Sinn“, weil ein „Nachbau des massiven Gebäudes mit seinen monoton addierten flachen Fassaden und der überdimensionierten Kuppel“ nicht in ein modernes Stadtbild passe. Das „Vergangenheitssymbol“ bilde „die politisch und geschichtlich falsche Botschaft“, erklärte Conradi.
Schließlich hält der Architektenkammerpräsident den Schlossbau für „ungeeignet“, sollen doch darin die außereuropäischen beziehungsweise wissenschaftlichen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Humboldt-Universität untergebracht werden. Moderne Museumsanforderungen in ein barockes „Kostüm“ zu pressen, sei „abwegig“.
Ähnlich wie Berlins Exsenatorin Goehler fordert Conradi vom Land und dem Bund als Bauherren, zukünftig „mehr Innovationsfähigkeit“ als die Kommission zu zeigen. Der Senat müsse sich vor einer Entscheidung allen baulichen Möglichkeiten an dem zentralen Ort öffnen. Zugleich plädiert Conradi gemeinsam mit anderen Architekten für die Auslobung eines offenen Bauwettbewerbs. Ein Verfahren mit „wenigen renommierten Architekten auf der Grundlage der empfohlenen Gestaltungsvorschläge“ lehnte er dagegen ab. Dieses würde nur die restaurativen Ideen umsetzen, junge Architekten von der bedeutenden Bauaufgabe ausschließen und andere Gestaltungsoptionen, wie eine moderne Architektur, verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen