Dokumentation: Jugendliche aufgegeben
■ „Manche kann man nicht resozialisieren, weil sie nie sozialisiert wurden“
Will die Spitze des Bremer Justizressorts eine Wende in Jugendvollzug? Anlass für diese Frage hat Staatsrat Ulrich Mäurer geliefert. Am 22. Februar hat der Staatsrat für Justiz und Verfassung des Ressorts von Justizsenator und Bürgermeister Henning Scherf (SPD) über jugendliche Straftäter gesagt, manche gehörten nur eingesperrt und abgeschoben. Gestern kam der Inhalt der Aussagen im Rechtsausschuss der Bürgerschaft zur Sprache. Wir dokumentieren die Äußerungen Mäurers im Buten&Binnen-Studiogespräch, dessen Anlass die Kritik am Jugendvollzug in Blockland war, nachdem ein Richter einen 16-jährigen Intensivtäter nicht in Haft eingewiesen hatte, weil er dort den erzieherischen Auftrag, den Jugendvollzug nach dem Gesetz hat, nicht gewährleistet sah. Die Justizbehörde hatte sich gegen diese Einschätzung verwahrt.
Ulrich Mäurer: Wir haben das Problem, dass ganze Stadtteile terrorisiert werden, wir haben in Schulen massive Probleme, und ich denke, dass wir gut beraten sind, sehr schnell auf diese Straftaten zu reagieren.
BuBi: Mit Haft?
Ja, mit Haft.
Nachdem vorher (...) Betreuung, Arrest versucht wurde?
Ja, dies sind alles Maßnahmen, die in Bremen greifen. Aber wir sehen auch sehr deutlich, dass die Institutionen hier an ihre Grenzen stoßen. Im Kernbereich dieser Intensivtäter führt in der Regel kein Weg daran vorbei, Haftbefehl zu beantragen. Wir haben dann jedenfalls eine gewisse Zeit die Sicherheit, dass in diesem Stadtteil nichts passiert.
Das klingt, als wenn Sie glauben, dass es einen Kern von jugendlichen Intensivtätern gibt, die nicht zu rehabilitieren sind.
Ja, wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass wir es mit Gruppen zu tun haben, die in der Tat nicht zu resozialisieren sind, weil sie nie sozialisiert wurden.
Die haben Sie also aufgegeben?
Leider ist es so. Das heißt, es kann nur so gehen, dass man sehr systematisch diesen Bereich betreut. Das heißt, die Staatsanwaltschaft muss die Strafverfolgung organisieren. Und in der Regel bleibt nur die Abschiebung in solchen Fällen.“
Sie sagen inhaftieren, dann abschieben?
Ja.
Sie gehen davon aus, dass diese Gruppe keinen deutschen Pass hat. Ist das so?
Man muss davon ausgehen, dass die Hälfte der Intensivtäter zu dieser Gruppe zählt. Es sind keine Einzelfälle, sondern es handelt sich um Familien, die an sich als Intensivtäter auftreten. Es ist nicht ein Kind, sondern es sind viele Kinder. Und diese Gruppe stellt einen Kernbereich dar, wo offensichtlich unsere Institutionen überfordert sind.
Das heißt, sowas wie eine geschlossene Wohngruppe, darüber denken Sie nicht nach?
Das ist kein Thema. Man muss über Heimunterbringung nachdenken, aber es ist entscheidend, dass man differenziert. Wir haben es auch mit Jugendlichen zu tun, die aus sehr desolaten Verhältnissen stammen. Da ist Hilfe angesagt, aber auch Sanktion. Desto größer sind die Chancen, dass diese Karrieren gestoppt werden.
Sie plädieren dafür, dass jemand die Intensivtäter früh sortiert?
Ja.
Nach denen, die Ihrer Ansicht nach verloren sind – und denen, die man resozialisieren kann?
In der Tat.
Aber wer macht das?
Das wird Aufgabe sein von Sozial- und Jugendarbeit.
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