: Erst aufschlagen, dann abrunden
Eine Studie des Verbraucherschutzverbandes zeigt: Die Euroeinführung hat teilweise zu deutlichen Preiserhöhungen geführt. Der Einzelhandel war besonders geschickt: Er hat die Preise schon vorher erhöht, um sie dann werbewirksam senken zu können
von SUSANNE AMANN
Das Gefühl hat nicht getrogen: Zwar haben Statistiken und Untersuchungen der letzten Wochen immer wieder bestritten, dass es durch die Euroumstellung Preiserhöhungen gegeben habe. Den Eindruck, vieles sei mit dem Euro teurer geworden, hatten viele Verbraucher trotzdem. Das war nicht unberechtigt, wie jetzt eine Studie bestätigt, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen gestern veröffentlicht hat.
„Der Verbraucher hat mit seiner Skepsis Recht gehabt“, sagt Karin Kuchelmeister, Euroexpertin des Bundesverbandes. Denn allen Studien zum Trotz sei ein Drittel der Preise erhöht worden. So verteuerten sich die Produkte im Einzelhandel zum Teil um bis zu 39 Prozent, im Dienstleistungsbereich sogar um bis zu 48 Prozent. Gleichzeitig wurden zwar 28 Prozent der Produkte billiger, hier lagen die Grenzen aber bei 18 Prozent.
Der Bundesverband bewertete in seiner Studie 822 Produkte des täglichen Bedarfs: vom Dosenöffner über den Milchreis bis zur Jeans. Von Juni 2001 bis Februar 2002 wurde im Abstand von sechs Wochen deren Preisentwicklung beobachtet. „Wir haben sehr viele empörte Anrufe von Verbrauchern bekommen und wollten dem mit unserer Untersuchung nachgehen“, so Kuchelmeister.
Aufgefallen ist den Verbraucherschützern vor allem eins: Während die Preise im Dienstleistungssektor und in der Gastronomie weitgehend zeitnah zur Euroeinführung geändert wurden, sind die Preise im Einzelhandel schleichend erhöht worden. „Seit Mitte des letzten Jahres wurden hier die Preise strategisch angehoben“, kritisiert Kuchelmeister, „damit man sie dann werbewirksam zur Euroeinführung wieder senken konnte.“ Allerdings hätten die Preise immer noch ein höheres Niveau als im Sommer 2001.
Hubertus Pellengahr vom Bundesverband der Einzelhändler hat für diese Theorie nicht besonders viel übrig: „Kein Händler würde eine mühsam erkämpfte Preiserhöhung freiwillig zurücknehmen. Das wäre ökonomischer Wahnsinn, dafür ist der Markt im Einzelhandel viel zu eng.“ Die Erhebungen der Verbraucherschützer würden auf der Basis einer selektiven und willkürlichen Auswahl getroffen, so dass am Ende Äpfel mit Birnen oder eben Milch- mit Buchpreisen verglichen würden. Dass es keine gezielten Preiserhöhungen im letzten halben Jahr gegeben habe, so Pellengahr, zeigten auch die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes.
Tatsächlich stiegen die Preise nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes im letzten Jahr nur in der ersten Hälfte des Jahres. Und das lag vor allem an den Lebensmittelskandalen wie BSE und Tierseuchen wie MKS. Auch nach der Euroeinführung konnten keine extremen Preiszuwächse festgestellt werden: „Der Preisindex für die Lebenshaltung ist im Januar nur um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat Dezember gestiegen“, so Nadine Engelhardt vom Statistischen Bundesamt. Das liege im Schnitt der letzten Monate. Deutlich teurer seien jedoch Nahrungsmittel (plus 8,6 Prozent) und vor allem Obst und Gemüse (plus 20 Prozent) geworden, was man allerdings auf den starken Wintereinbruch zurückführe.
„Auch ich halte es für gewagt, die Preissteigerungen nur auf den Euro zurückzuführen“, sagt Kuchelmeister vom Verbraucherschutz, natürlich gebe es dafür auch andere Faktoren. „Trotzdem sind die Preise häufiger und deutlicher erhöht als gesenkt worden.“ Dies sei den Kunden nicht entgangen. Denn durch die neue Währung fehle bisher das instinktive Preisgefühl. Daher seien die Verbraucher seit Jahresbeginn beim Preisvergleich aufmerksamer als sonst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen