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: Früchte, Kopftücher, Erdöl: Ist der Islam erotisch?, fragte die taz zum 8. März

Der wilde Mann und das Obst

Glückliche Güldane. Da sitzt Güldane Yilmaz, die Kita-Leiterin, auf dem Podium, das blaue Tuch mit der Glitzerbrosche fest geknüpft, und hat als Einzige gar kein Problem. Nicht mit der Erotik und nicht mit dem Islam. Denn der Prophet hat gesagt, so erinnert sich Güldane Yilmaz: „Eure Frauen sind euer Obst, ihr könnt rangehn und essen, wann ihr wollt.“ – „Tag und Nacht, wann auch immer!“, strahlt sie. Die unglücklichen anderen TeilnehmerInnen der taz-Diskussion am Donnerstagabend im Kato haben natürlich sofort was zu meckern. Ob die Frauen Äpfel oder Birnen sind, will Moderatorin Bascha Mika wissen. Dass im Islam die gesamte erotische Literatur inclusive Anleitungen zum Koitus nur aus männlicher Perspektive geschrieben ist, merkt Islamwissenschaftler Gernot Rotter an. Und Ipek Ipekcioglu, lesbische Aktivistin und DJ aus Kreuzberg, kann schon gar keine Erotik im Islam entdecken: „Es gibt nur den Trieb und die Sexualität des Mannes!“

Güldane Yilmaz fühlt sich missverstanden: „Lust haben ist nicht männlich, sondern menschlich! Wenn ich Lust habe, dann nehme ich mir eben meinen Mann!“ Kulturlücke: Alles lacht, warum glaubt ihr eigentlich keiner? Und noch ein Spruch aus der Mottenkiste Mohammeds: „Der Mann hat einen Trieb und kann ihn nicht beherrschen, die Frau hat neun Triebe und kann alle beherrschen.“ Da stehen doch die Frauen nicht schlecht da, oder? Nur aus Rücksichtnahme auf das Triebwesen Mann trage sie das Kopftuch, erläutert Güldane Yilmaz: „Wenn ich wüsste: die Männer sind zivilisiert, dann würde ich sagen: Scheiß mit dem Kopftuch“, ruft sie. In 35 Jahren sei sie dank ihres Kopfschutzes „nie vergewaltigt und nie sexuell angemacht worden“. Das hätten Gott und Mohammed schlau eingerichtet, denn vor der Schleierpflicht sei es Frauen schlechter gegangen.

Ipek Ipekcioglu gibt zu bedenken, dass ein Kopftuch nicht unbedingt ein perfekter Vergewaltigungsschutz ist. Gernot Rotter verweist darauf, dass es durchaus Anzeichen dafür gibt, dass Frauen in vormohammedanischer Zeit eher mehr als weniger Macht hatten: Mohammeds erste Ehefrau Chadidscha war seine Chefin. Sie war um einiges älter als der Prophet, und sie war es auch, die entschied, dass nun geheiratet werde. Erst die monotheistischen Religionen hätten die Göttinnen wie Venus und Aphrodite oder im arabischen Raum eben Al-’Uzza, Al-lat und Manat aus dem Götterhimmel verbannt und mit ihnen auch die Erotik zum Teufel geschickt.

Man benutzt Frauenkörper, um Männer zu kontrollieren, fasste die Filmemacherin Siba Shakib kurz und prägnant zusammen. Um gleich in die ganz großen Zusammenhänge einzusteigen: Der Steinzeit-Islam der Taliban mit seiner Frauenphobie sei durch die Öl-Interessen der USA gefördert worden: Es gebe einen grandiosen Zusammenhang zwischen Erotik, Sex und Öl. Worauf es im Publikum hieß, dass die Erotik eine größere Macht sei als das bisschen ranzige Öl. Puh.

Der Islam habe sich zu modernisieren, befand resümierend und gleichzeitig skeptisch im Hinblick auf das Gelingen Professor Rotter. Aber was ist das? So sei die Türkei doch eigentlich lesbenfreundlich, meinte feixend Ipek Ipekcioglu: Dort gelte sie als ehrbares Mädchen, „denn ich lasse mich nicht mit Männern ein“. Und im Iran bekämen Transsexuelle leichter eine Geschlechtsumwandlung gestattet als in Deutschland: Wenn ein Schwuler, der zum Tode verurteilt sei, einer Geschlechtsumwandlung zustimme, dann käme er wieder frei: Die Geschlechterordnung sei wieder hergestellt. Was ist nochmal modern? Wenn man die glückliche Güldane ansieht, denkt man manchmal, es ist nur der Übergang in eine andere Ordnung. HEIDE OESTREICH