: Gebraucht? Gut. Gekauft!
Das Gebrauchtrad – einfach nicht kaputtzukriegen. Clevere Fahrradläden und Recyclingwerkstätten lassen die alten Dinger nicht länger links liegen. In der Marktlücke lassen sich ökonomische Aspekte mit ökologischen und sozialen verbinden
von UTA GELLERT
Wer lässt sich schon gern sein nagelneues Rad klauen? Genau. Dies dürfte der Grund sein, warum eine Vermeidungsstrategie immer beliebter wird: einfach zum Gebrauchtrad greifen. Schon kann man sich überall blicken lassen. Und wenn’s dann doch abhanden kommen sollte, ist der Abschiedsschmerz nicht ganz so groß.
Da gebrauchte Fahrräder zudem erheblich billiger als neue sind, ist ein besonderer Markt entstanden. Logisch, dass auch der Handel dies nicht ignorieren kann: „Bei uns machen Gebrauchträder circa 20 bis 30 Prozent des Verkaufes aus, ein Trend, der im Laufe der Jahre angestiegen ist“, so Dirk Hamann vom Radmagazin in Hannover.
Aber wie kommen die Fahrradläden an die gebrauchten Velos? „Unsere Kunden bringen ihr altes Rad mit, wir schätzen es und ziehen den Restwert vom neuen ab.“ Diese übliche Praxis ist auch in Bremen bei den Firmen Speiche und Dutschke an der Tagesordnung. Beim Radmagazin in Hannover setzt man sogar noch einen drauf. Dort kauft man das Gebrauchtrad nicht ausschließlich Zug um Zug gegen ein neues. Dirk Hamann: „Wir nehmen auch Gebrauchträder von Privatleuten, die ihre alten Räder einfach so zu uns bringen, bearbeiten diese in Eigenregie, um sie dann wieder zu verkaufen.“ Eine Ausnahme, die nicht die Regel bestätigt, jedoch den Erfolg rechtfertigt.
Und doch kann von einem Gebrauchträderboom im Handel nicht gesprochen werden. Zwei Dinge stehen dem entgegen. So sind Fahrradhändler seit kurzem gesetzlich verpflichtet, auf alle Gebrauchträder mindestens ein Jahr Garantie zu geben. Und außerdem sei das Aufmöbeln von alten Fahrrädern für einen normalen Fahrradladen nicht profitabel genug. „Der ganze Wiederaufbereitungsaufwand lohnt sich nicht für uns“, bestätigt Dietrich Sudikatis von der Radgeber Linden GmbH aus Hannover.
Doch wer es sich erlauben kann, die ökonomischen Aspekte mit ökologischen und sozialen zu verbinden, der kann in dieser Marktlücke gut leben. Zum Hintergrund: Die 3,5 Millionen weggeworfenen oder einfach irgendwo illegal abgestellten Alträder sind Sondermüll – aufgrund ihres Materialmixes aus verschiedenen Metallen und metallischen Überzügen sowie zahlreichen Kunststoffen.
Dynamo Fahrradservice in München weiß das – und weiß damit seit 1986 verantwortungsbewusst umzugehen. „Wir fördern in unserer Recycling-Werkstatt und unserem Fahrradladen die berufliche Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“, so Geschäftsführerin Karin Lohr. Finanziert wird das Ganze zu 75 Prozent von staatlichen Stellen und 25 Prozent aus eigenen Erlösen.
Eine Initiative, von der viele etwas haben: Die Angestellten mischen wieder auf dem Arbeitsmarkt mit. Der Kunde darf sich für etwa 100 Euro über ein verkehrssicheres Fahrrad freuen. Und damit er eine gute Auswahl hat: Im Dynamo-eigenen Laden stehen immer um die 50 Räder zum Verkauf. Was sich rentiert – im letzten Jahr wurden über 700 Räder verkauft.
Es ist zu erwarten, dass es noch mehr werden. Denn der Radklau ist offensichtlich nicht zu stoppen. Also wird auch die Zahl derjenigen, die dem Gebrauchtrad verfallen, wohl weiterhin steigen.
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