israel: Warum gibt es keinen Protest?
Merkwürdig. Da besetzen israelische Panzer palästinensische Städte und Flüchtlingslager, Soldaten töten Dutzende von Menschen, beschießen Krankenhäuser und UN-Einrichtungen, und alle in Berlin schweigen.
Kommentar von UWE RADA
Geschwiegen wurde auch vor drei Jahren, als in dieser Stadt vier Kurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurden. Angeblich aus Notwehr, einer Version, der sich ohne Prüfung auch der Bundesaußenminister anschloss. Protest war nicht erwünscht, nicht einmal eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung.
Umso größer war dagegen die Verwunderung, als Israels Exbotschafter in Deutschland, Avi Primor, dieser Zeitung vor kurzem sagte, die Schüsse seien keine Notwehr gewesen.
Warum sollte man nun, angesichts der zugespitzen Lage in Nahost, bei der die Toten unter der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten immer mehr werden, an eine israelische Notwehr in den Flüchtlingslagern glauben? Weil man einen Beifall von der falschen Seite fürchtet? Oder weil man hierzulande zu diesem Thema nichts anderes darf als schweigen?
Beides wäre falsch. Gerade, weil die Situation so zugespitzt ist, sollte es auch erlaubt sein, Fragen stellen zu dürfen? Wie sich zum Beispiel Scharons Ankündigung, die Palästinenser müssten sich noch „auf hohe Verluste einstellen“, mit dem westlichen Verständnis von Menschenrechten verträgt? Gegenüber den Palästinensern sind solche Fragen ja auch erlaubt. Zum Beispiel die, ob Arafat nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Terroranschläge aus den eigenen Reihen zu unterbinden?
Gerade in einer entwickelten Öffentlichkeit, die nicht unter dem Bekenntniszwang einer zugespitzten Kriegssituation steht, wird man sehr genau in der Lage sein, zu unterscheiden, wer welche Kritik warum formuliert. Diese Meinungsfreiheit sollte man sich nehmen. Auch in Berlin.
bericht SEITE 1, ausland SEITE 10
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