piwik no script img

Gegenwind für Sarrazin

Am nächsten Donnerstag soll das Parlament der Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft zustimmen. Doch eine Mehrheit ist längst nicht sicher. Vor allem SPD und PDS-Abgeordnete skeptisch

von UWE RADA

Eigentlich müsste Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gewarnt sein. Bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes über die Übernahme der Bankenrisiken durch das Land war die Stimmung im Regierungslager alles andere als gut. In einer Zwischenbemerkung hatte der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz auf die Schieflage zwischen Bankenkrise und Sparpolitik hingewiesen. Der geplanten Risikoabschirmung in Höhe von 3,73 Milliarden Euro, daraus machte Lorenz während der Abgeordnetenhaussitzung vor zwei Wochen keinen Hehl, könne er in dieser Form nicht zustimmen.

Mittlerweile ist der Sprecher des linken Donnerstagskreises der SPD noch weitergegangen. In einer Broschüre, die an insgesamt 1.000 SPD-Mitglieder, darunter sämtliche Abgeordnete und Parteitagsdelegierte, verschickt wurde, bezeichnete er die abschließende Abstimmung über das Gesetz am 21. März als „wichtigste Entscheidung der Legislaturperiode“.

Inzwischen nennt Lorenz die Vorlage seines Finanzsenators sogar eine „unglaubliche Frechheit“. Der Grund: Die von Sarrazin und dem Senat eingebrachte Absicherung beziehe sich weniger auf die tatsächlichen Haftungsverpflichtungen des Landes gegenüber der Bank, sondern vor allem auf die riskanten Fondsgeschäfte, deren Haftungspflicht für das Land noch nicht geklärt sei.

Bereits im Dezember hatte der rot-grüne Übergangssenat zusätzlich zu den vier Milliarden Mark an Zuschüssen für die Bank eine Übernahme sämtlicher Risiken aus den Immobiliengeschäften beschlossen. Nur so, begründete die damalige Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) diese Risikoabschirmung, sei an einen möglichen Verkauf der Bankgesellschaft überhaupt zu denken.

Diese Haltung hat sich nun auch der rot-rote Senat zu Eigen gemacht. Nunmehr soll mit jährlich 300 Millionen Euro im Haushalt für die Risikogeschäfte von Landowsky und Co. geradegestanden werden. Weshalb die Höhe des Blankoschecks sich auf genau 3,73 Milliarden Mark beläuft, kann der Finanzsenator allerdings nicht sagen.

Doch schon nach dem ersten Senatsbeschluss im Dezember hatten einige Abgeordnete, darunter auch Grüne, darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoller wäre, die Bank in Konkurs gehen zu lassen und sich als Land auf die Sparkasse und die Landesbank Berlin (LBB) zu konzentrieren.

Diese Position scheint auch in der SPD nicht ganz ohne Anhänger zu sein. Auf den beiden Fraktionssitzungen, bei denen das Thema Risikoabschirmung auf der Tagesordnung stand, konnte die Fraktionsspitze die Abgeordneten bislang nicht von der Position des Finanzsenators überzeugen. Der SPD-Abgeordnete Lorenz glaubt deshalb schon, „dass das Gesetz in der vorliegenden Form keine Mehrheit findet“.

Als Alternative zur Vorlage Sarrazins fordert Lorenz, ein Risiko nur für die Verpflichtungen der LBB zu übernehmen. Ein anschließendes Konkursverfahren für die Immobilientöchter der Bankgesellschaft hätte zur Folge, dass „die Schuldigen dieser Milliardenpleite öffentlich werden und die Schulden für das Land so so gering wie möglich gehalten werden“.

Gerade Letzteres ist aber umstritten. Im Falle eines Scheiterns des Gesetzes und einem bereits vom Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen für diesen Fall angekündigten Entzug der Bankenlizenz würden auf das Land weitaus höhere Verbindlichkeiten zukommen als die vorgesehene Risikoübernahme. So argumentieren zumindest unisono die Haushaltsexperten von SPD und PDS. Insgesamt ist sogar von über 20 Milliarden Euro die Rede, die ein sofortiger Bankenkonkurs das Land kosten würde.

Dass solch immens wichtige Fragen nicht geklärt sind, ärgert inzwischen auch einige Abgeordnete aus der PDS-Fraktion. „Wenn mir der Finanzsenator sagt, die Risikoabschirmung sei alternativlos, er habe das geprüft, ist mir das zu wenig“, sagt der Abgeordnete Freke Over. Und auch sein Fraktionskollege Michail Nelken spricht von einer ganzen Reihe von Abgeordneten, die signalisiert hätten, dass sie nicht bereit seien, diesem Gesetzesantrag zu folgen.

Da auch die Zustimmung der CDU bislang nicht klar ist, droht dem rot-roten Senat am 21. März seine erste Abstimmungspleite. Von daher scheint dem Finanzsenator ein Vorstoß der FDP gerade recht zu kommen.

Auf Antrag der Liberalen hat Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) nämlich entschieden, den Abgeordneten mehr Einblick in die dem Gesetz zu Grunde liegenden Berechnungen zu gewähren. Vor einer Abstimmung soll deshalb in nicht öffentlicher Sitzung über die Risiken und deren Übernahme noch einmal debattiert werden. Bislang war lediglich den Mitgliedern des Vermögensausschusses Einsicht in einige Unterlagen gewährt worden.

Für Hans-Georg Lorenz steht allerdings schon heute fest: „Ich werde diesem Gesetz nicht zustimmen.“ Bei der derzeit herrschenden Umverteilung zu Lasten der Armen und zu Gunsten der Reichen, so der SPD-Linke, werde ein geradezu klassisches Muster verwirklicht: „Der Staat übernimmt die Schulden, die Reichen kaufen die Bank unbelastet und machen gute Gewinne.“ Fast sei es so, meint Lorenz, „als laufe ein schlechter DDR-Propagandafilm. Karl-Eduard von Schnitzler wäre begeistert“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen