: Volltreffer auf Familie
Pentagon informiert über den Angriff auf den Konvoi eines mutmaßlichen Al-Qaida-Führers mit seinen Angehörigen. Frankreich lehnt eine Beteiligung an solchen Bombardements offenbar ab
von ERIC CHAUVISTRÉ
Das Pentagon hat erstmals bekannt gegeben, während der jüngsten Offensive im Osten Afghanistans durch die Bombardierung eines Konvois auch Kinder und unbeteiligte Frauen getötet zu haben. US-Kampfflugzeuge hätten am Mittwoch vergangener Woche ein Fahrzeug mit 14 Personen getroffen, sagte ein Sprecher des für die Kriegsführung in Afghanistan zuständigen US Central Commands am Dienstagabend. Das Fahrzeug habe sich in der Nähe eines Gebiets befunden, so die Pentagon-Version, das die USA als Rückzugsgebiet der al-Qaida betrachten. Eines der bei dem Angriff verwundeten Kinder sei in ein Militärkrankenhaus eingeliefert worden. Über die bei dem Angriff Getöteten macht der Sprecher keine genaueren Angaben.
Zu einem Ausdruck des Bedauerns oder gar einer Entschuldigung sah der Pentagon-Sprecher keinen Anlass. „Dies ist eindeutig ein Gebiet, in dem sich die Bad Guys aufhalten“, rechtfertigte Brad Lowell, Sprecher des Central Commands die Aktion. Angesichts der vagen Informationslage griff der Sprecher zur doppelten Verneinung: „Wir haben keine Anzeichen, dass es sich nicht um al-Qaida gehandelt hat.“ Trotz der getöteten Unbeteiligten ist das Pentagon überzeugt: „Wir denken, es war ein gutes Ziel.“
Anders als bei den bislang eingestandenen Treffern auf Nicht-Kombatanten oder auf mit den US-Streitkräften verbündeten afghanischen Warlords wird der jetzt bekannt gewordene Treffer offenbar nicht als so genannter Fehlschlag oder Irrtum betrachtet, sondern als einkalkulierte Tötung Unbeteiligter. Die US-Regierung hatte sich auf diesen Fall propagandistisch längst vorbereitet: Schon zwei Tage nach Beginn der derzeitigen Offensive mit dem Code-Namen „Anakonda“ hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld festgestellt, die Frauen und Kinder in der „Kampfzone“ würden sich dort „aus freiem Willen“ aufhalten. Sie wüssten, „mit wem sie dort sind, wen sie ermutigen und wen sie unterstützen“.
Unter dieser Vorgabe fallen die jetzt bekannt gewordenen Opfer nicht einmal in die Kategorie der berühmten „Kollateralschäden“. Sie sind nach der Definition des Pentagon-Chefs auch dann Kombattanten, wenn es sich um Kinder handelt, die sich in der Nähe mutmaßlicher Al-Qaida-Anhänger aufhalten. Da sich die Opfer selbst in Gefahr begeben haben, so die Logik, ist ein Überdenken solcher Angriffe nicht nötig.
Diese Sichtweise stößt offenbar auch unter US-Verbündeten nicht nur auf Zustimmung. Bereits am Wochenende hatte die Pariser Tageszeitung Le Monde verbreitet, französische Piloten hätten sich mehrmals geweigert, von den US-Streitkräfte ausgewählte Stellungen zu bombardieren. An den Bombardements beteiligt sich Frankreich mit 22 Kampfflugzeugen der Typen „Super Entendard“ und „Mirage 2000 D“. Angaben der Zeitung zufolge, die sich auf französische Militärkreise berief, hätten die Franzosen die Gefährdung für die afghanische Bevölkerung als zu hoch eingeschätzt. Dem Bericht zufolge, haben sich die Piloten der französischen Luftwaffe insbesondere geweigert, Angriffe auf vermeintliche Taliban-Führer zu fliegen, wenn sich diese in der Nähe von Dörfern aufhielten. Auch bei geplanten Bombardements gegnerischer Anführer, die sich in Begleitung ihrer Familien befanden – wie in dem jetzt vom Pentagon eingestandenen Fall – haben die Franzosen offenbar mehrfach Luftangriffe abgelehnt. Der französische Generalstab bestätigte inzwischen die Differenzen mit den USA – allerdings soll es sich vor allem um technische Probleme gehandelt haben.
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