: Der Ökogeschmack
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, über Umweltschutz, Sponsoring und die Bedeutung von Ökofragen für Qualitätstourismus
Interview CHRISTEL BURGHOFF
taz: Herr Resch, die Aufgabe der DUH ist vor allem das Eintreiben von Spendengeldern für Umweltprojekte. Ein schwieriges Geschäft?
Jürgen Resch: Wir haben praktisch mit Haus- und Straßensammlungen für die Umweltverbände begonnen. Irgendwann hat sich herausgestellt, dass dieses mühsame Geldsammeln für Projekte an der Haustür nicht mehr ausreicht. Man muss mit Spendenaktionen und öffentlichen Aufrufen arbeiten.
Damals spielten ethische Vorbehalte im Zusammenhang mit Geldern aus der Wirtschaft eine wichtige Rolle. Die DUH wurde auch als Spendenwaschanlage bezeichnet.
Wir haben 1986/1987 mit den Wirtschaftskooperationen begonnen, und das war in der Tat anfangs heftig umstritten. Man hat gefragt: Kann denn ein Umweltverband mit Wirtschaftsunternehmen glaubwürdig zusammenarbeiten, wenn es gleichzeitig diese Firmen ablehnt?
Und wie konnten Sie zusammenarbeiten?
Das erste richtig große Umweltpartnerschaftsprojekt zwischen Umweltverbänden und der Wirtschaft war im touristischen Bereich die Förderung des Bodensee-Umweltschutzprojektes durch das Waschmittelunternehmen Lever. Lever war in den Achtzigerjahren in Verruf geraten durch die Domestos-Haushaltsreiniger. Es gab deswegen einen Skandal und jahrelange Querelen unter anderem mit der Zeitschrift Natur beziehungsweise Chancen, wie sie damals hieß. Und dann die Fragen der Umweltschützer …
… zum „Greenwash“?
Dieser Vorwurf ist natürlich gekommen. Ich selbst war ausgesprochen skeptisch, als das Unternehmen sagte: Wir haben verstanden, wenn andere eine negative Meinung über uns haben, dann müssen wir das akzeptieren, dann müssen wir an einem besseren Image arbeiten, nicht durch PR, sondern durch inhaltliche Arbeit, wir wollen ein Umweltwaschmittel entwickeln, und parallel dazu würden wir uns gern im gesellschaftlichen Bereich engagieren.
Wie kam es zu dieser Kooperation?
Auf einer Grillparty am Bodensee geriet ich in die skurrile Situation, dass mir eine Million Mark angeboten wurde für Umweltprojekte am Bodensee, praktisch ohne Auflagen, um das zu tun, was wir jetzt auch tun, nämlich Modellprojekte und nachhaltige Entwicklung zu pushen. Wir haben dann die kritischsten Mitdiskutanten in ein Gremium integriert, den Bodensee-Umweltrat. Der musste darüber befinden, ob das Geld angenommen und wie es vergeben wird. 1990 wurde gemeinsam mit Umweltminister Klaus Töpfer das Bodensee-Umweltschutzprojekt gestartet. Wir hatten zum ersten Mal den Bundesumweltminister, die Umweltschützer und die Wirtschaftsvertreter zusammen in einem Boot.
Und wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit der Lufthansa?
Lufthansa hat uns in Südafrika bei der Verhinderung des Titanabbaus im Saint-Lucia-Gebiet geholfen. Dort sollten die höchsten bewaldeten Dünen der Welt, zweihundert Meter hoch, praktisch durchgesiebt werden. Eine Mondlandschaft wäre zurückgeblieben. Wir haben mit vielen zehntausend Menschen dagegen protestiert und ein Gegenkonzept vorgelegt, damit diese Gegend im Rahmen der Unesco-Welterbekonvention geschützt und das Mining verboten werden konnte.
Welche Rolle spielte Lufthansa?
Wir haben mit Lufthansa für dieses touristisch praktisch unerschlossene Gebiet geworben und Pauschalreisen angeboten. Die wurden zwar anfangs nicht gebucht, aber Lufthansa hielt das Pauschalreiseangebot aufrecht. Sogar gegen den Druck dieser Bergbaugesellschaft, die Lufthansa-Flüge nicht mehr für ihre Manager buchen wollte.
Durch Tourismus lassen sich also nicht nur Projekte fördern, sondern auch verhindern?
Vor allem lenken. Die Bergbaufirma wollte 150 Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung schaffen. Wir haben dann einfach noch mehr Arbeitsplätze durch Tourismus versprochen. Und das haben wir auch geschafft.
Für andere wichtige Projekte lässt sich vermutlich kein Sponsor finden. Der Thüringer Wald etwa ist eines der letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete, ihm droht die Zerschneidung durch ICE und Autobahn. Wer macht sich da für eine Erhaltung stark?
Das ist die Aufgabe der klassischen Umweltverbände. Die Zerschneidung von noch relativ intakten Naturräumen ist nicht nur dort eines unserer großen Probleme. Aber das ist kein Thema, für das ein Tourismusunternehmen eintritt.
Ein Sponsor will ein attraktives Umfeld?
Das gilt ganz generell für Sponsoring. Hier werden nur Projekte unterstützt, die eine positive Ausstrahlung haben.
Gibt es auch Firmen, von denen Sie sagen würden: „Mit denen nicht!!“?
Sehr viele. Ich würde sicherlich nicht mit Firmen aus dem Bereich Pestizide zusammenarbeiten.
Ein ethischer Maßstab?
Ja, aber wir haben keine speziellen Kriterien. Die Firma muss im Grundsatz akzeptabel sein und akzeptable Produkte herstellen. Mit einem Waffenhersteller haben wir einfach ein Problem. Zum anderen muss das Unternehmen entweder schon auf dem Markt bestehen oder den Ehrgeiz haben, in seiner Branche zum Trendsetter für Umweltschutz zu werden.
Haben Sie auch touristische Sponsoren? Etwa die TUI?
Die ist kein Sponsor. Die Tourismuswirtschaft hat in der Regel relativ wenig Geld …
Obwohl Tourismus der größte Nutznießer Ihrer Arbeit ist?
Das ist klar. Sie unterstützt uns ja. Und sei es durch Aktionswochen für regionale Gerichte mit einem hohen Ökoanteil. Die Bodensee-Initiative hat gemeinsam mit der Industrie das Projekt „Regionale Genüsse“ gestartet.
Inzwischen behaupten Ökooptimisten, Tourismus sei ohnehin der größte Umweltschützer.
Die Aussagen der Autoren Dirk Marxeiner und Michael Miersch sind bewusst provokant und plakativ. So absolut würde ich sie auf keinen Fall unterschreiben. Aber wenn man den Tourismus richtig managt, dann kann er tatsächlich diese positiven Effekte hervorbringen.
Natur als Event?
Auch das! Wichtig ist, Natur nicht so zu verkaufen, dass wir den Menschen das Erleben dieser ursprünglichen Natur verweigern. Wir müssen Teilbereiche zugänglich machen, um die Argumentation für nicht zugängliche Bereiche zu haben. Leider ist heute alles irgendwie zugänglich. Wir haben keine richtigen Konturen in unserem Naturschutz.
Wenn Sie ein Resümee ziehen: Hat sich Ihrer Einschätzung nach beim Umweltschutz im Tourismus einiges bewegt?
Noch nicht genug …
Nicht genug wovon?
Mehr Umweltwelttourismus. Wir haben international viele Erfahrungen gewonnen, wie Tourismus, und zwar auch Massentourismus, umweltverträglicher zu gestalten ist. So dass man dem Ziel, dass Tourismus Natur rettet, zumindest näher kommt. Doch im Moment läuft es immer noch überwiegend gegenteilig ab. Vor allem bei der Erschließung neuer Tourismusdestinationen gibt es negative Entwicklungen, beispielsweise bei der Belastung von Luft, Boden, Wasser. An vielen, vielen Orten dieser Welt bringt Tourismus erst einmal eine Verschlechterung der Zustände mit sich.
Immer noch?
Immer noch, ja, ganz klar.
Der Umweltgedanke hat erst in einem ganz kleinen Segment gegriffen?
Würde ich sagen. Und ich meine, dass dieser Gedanke sehr stark von einigen europäischen Staaten ausgeht, weil die Besucher aus europäischen Staaten inzwischen einen gewissen Umweltstandard voraussetzen und sich ohne den nicht wohl fühlen. Das gilt aber nicht generell.
Dem Umweltschutz im Tourismus scheint es mehr und mehr um die Rettung des Naturschönen und die Ästhetisierung von Naturräumen zu gehen.
Das reicht mir nicht aus. Hier in Europa haben wir kaum noch Naturlandschaften, sondern Kulturlandschaften. Speziell an der Elbe wäre es schön, wenn wir mit dem Tourismus gleichzeitig bestimmte Landschaften und typische Formen der Landbewirtschaftung, regionale Nutztierrassen, die teilweise schon verschwunden sind, wieder verbreiten könnten. Und auch in der Gastronomie regionaltypische Gemüse- und Obstsorten verkaufen könnten.
Ganzheitliche Konzepte?
Immer ganzheitliche Konzepte.
Eine Chance für sanften Tourismus?
Ich bin vor einigen Jahren einmal sehr angeeckt, als ich beim umweltverträglichen Tourismus nicht über sanften Tourismus sprechen wollte, sondern darüber, wie man über einen umweltfreundlicheren Massentourismus einen sehr viel höheren Effekt erzielt. Aber mir ging nicht aus dem Kopf, was auf einer Begleittagung zum Welttourismusgipfel 1995 auf Lanzarote der Leiter einer örtlichen Umweltgruppe sagte, nämlich: „Liebe Leute, lasst uns auf Lanzarote bitte, bitte mit dem sanften Tourismus in Frieden, wir haben doch schon den Massentourismus, und mit dem beginnen wir uns zu arrangieren, aber nehmt uns bitte nicht unsere Rückzugs- und Naturräume, die ihr mit eurem sanften Tourismus ganz schnell kaputtmacht.“ Das war eine wunderschöne Aussage, der man nicht so einfach widersprechen konnte. Ich will damit sagen, dass Massentourismus noch sehr große Potenziale hat, wie man ihn ökologisieren kann. Die Diskussion sollte sich auf die Frage konzentrieren, wie wir den Kriegszustand mit den normalen Formen des Badetourismus beenden und wie wir es schaffen, in mehr Partnerschaften zu umweltfreundlicheren Lösungen zu kommen.
Ist das die Richtung, in die das Umweltengagement im Tourismus künftig gehen sollte?
Auf diese Frage habe ich noch eine andere Antwort. Wir sollten beispielsweise von den Franzosen lernen, Regionen und Landschaften in Wert zu setzen. Und zwar über regionale Produkte auf allen Ebenen, im Bereich der Dienstleistung, der Lebensmittel, des Handwerks. Die Egalisierung, die wir betrieben haben, hat überall zum Wiener Schnitzel mit Salzkartoffeln geführt – wir müssen aber stärker in die Spezifitäten einer Landschaft hineingehen.
Um diese aufzuwerten?
Eine Aufwertung durch Besonderheiten. Man muss Marketinginstrumente nutzen, man braucht unique selling points, derentwegen etwa ein Besucher sagt: „Ich fahre nach Moos, weil ich dort mit meiner Familie im Solarboot abgeholt werde, und da gibt es die beste Fischsuppe weit und breit, und die ist aus Bodenseefischen gemacht.“
Also gilt es, aktiv zu werden im Bereich der Ästhetik und der Geschmäcker?
Weg von der Askese, hin zum Genuss.
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