: Lobbyisten jagen und Torschüsse verhindern
Proteste gegen den EU-Gipfel kamen weitgehend ohne Gewalt aus. Dafür gab es eine Riesendemo und hübsche Kleingruppenaktionen
BARCELONA taz ■ Kein Gipfel ohne Proteste, dies galt auch für Barcelona. Die Befürchtung, der versprochene „dynamische Wirtschaftsraum“ könne einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer gehen, brachte bereits am Vortag des EU-Treffens 85.000 Gewerkschafter aus allen Mitgliedsländern auf die Straße. Während der Tagung hatten Globalisierungsgegner zu dezentralen Aktionen gerufen. Die einen jagten aus Protest gegen die EU-Wirtschaftspolitik symbolisch Lobbyisten, andere machten mit der Verteilung „genetisch manipulierten Popcorns“ auf die Probleme im Nahrungsbereich aufmerksam.
Zum Abschluss dann gab es einen bunten Aufmarsch. 500.000 Menschen nach Meinung der Veranstalter, 250.000 nach Meinung der Polizei zogen in drei Blocks durch Barcelona. Vorneweg gingen die Anhänger von Attac. Sie traten einmal mehr für die klassischen Themen der Globalisierungsgegner, wie die Besteuerung der Finanztransfers, ein. Am Ende der Demonstration sammelten sich die sozialen Bewegungen. Von Gewerkschaften, Vertretern linker Parteien bis hin zu Frauen-, Solidaritätsgruppen und lokalen Bürgerinitiativen war alles vertreten.
Der Block, dessen Teilnahme am meisten Debatten verursacht hatte, lief in der Mitte. Ein „Europa der Völker“ verlangten hier radikale Nationalisten aus verschiedenen Regionen Spaniens, aber auch aus Korsika und Irland. Unter ihnen befanden sich auch Anhänger der baskischen Separatistenbewegung ETA. So manchem im Block der sozialen Bewegung stieß dies übel auf. Die bewaffnete Organisation hat in den letzten Jahren immer wieder auch Gemeinderäte und Politiker der parlamentarischen Linken und Mitglieder der großen Gewerkschaften erschossen. Trotz gegenteiliger Absprachen zeigten die ETA-Anhänger Flagge und Transparent.
Bis auf kleinere Zwischenfälle und einige Aktionen radikaler Gruppen aus dem Hausbesetzermilieu am Ende der Großdemonstration blieben die im Vorfeld befürchteten Auseinandersetzungen mit der Polizei weitgehend aus. Barcelona glich einer Kaserne. 8.500 Polizisten kontrollierten alles, was jung und alternativ aussah. Rund 1.500 Menschen wurde die Einreise nach Spanien verweigert, tausend allein am Tag der Abschlussdemonstration. Über hundert wurden während der drei Protesttage verhaftet.
Doch selbst das größte Polizeiaufgebot schützt nicht vor Überraschungen. So gelang es zwei beherzten Gipfelgegnern, sich am Samstagabend beim Topspiel der Spanischen Liga, FC Barcelona gegen Real Madrid, am Tor des Gastgebers festzuketten. „Stoppen wir das Europa des Kapitals“ war auf ihren T-Shirts zu lesen. Sieben Minuten später rollte dann der Ball. REINER WANDLER
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