: Erneuerung ohne erneuerbare Energien
Über Afghanistan lacht meist die Sonne, doch Solarenergie ist beim Wiederaufbau so wenig Thema wie Windernergie
BERLIN taz ■ Die Sicherheitslage in der afghanischen Hauptstadt kann nicht nur durch internationale Friedenstruppen verbessert werden, sonden schlicht durch Straßenlaternen. Deshalb schrieb die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Programm im Umfang von fünf Millionen Euro aus, um die wichtigsten Straßen und Plätze Kabuls zu beleuchten, erläuterte KfW-Sprecherin Sonja Contzen gegenüber der taz.
In Kabul gibt es zwei Gasturbinen-Kraftwerke. Keines aber funktioniert. Das eine, von Siemens gebaut, wurde Anfang der 90er-Jahre zerbombt, dem anderen – einst von ABB errichtet – fehlt der Brennstoff. „Zur Stromversorgung der Hauptstadt stehen lediglich drei Wasserkraftwerke zur Verfügung, deren Zustand und Wirkungsgrad extrem schlecht sind“, sagt Klaus-Jürgen Wilhelm vom Energieanlagenkonzern ABB. Die Folge: Kabul hat nur stundenweise Strom.
Wilhelm, der mit der deutschen Wirtschaftsdelegation im Februar die Situation vor Ort erkundete, sieht auch bei der Stromübertragung große Probleme. Die stark veralteten Netze hätten im Bürgerkrieg gelitten. Ein beträchtlicher Teil des von der KfW freigegebenen Geldes wird daher in das Flicken des Verteilungsnetzes investiert werden müssen. Wilhelm beziffert die derzeit mit Strom versorgten Kabuler Haushalte auf einen „einstelligen Prozentbereich“.
Die KfW will demnächst den Zuschlag für das Beleuchtungsprogramm erteilen. Weitere Programme sollen folgen. Mitte Januar hatte die KfW mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Büro in Kabul eröffnet. „Wegen der aktuellen Sicherheitslage ist es schwierig, Informationen aus dem Landesinneren zu bekommen“, sagt Wilhelm. Klar sei aber, dass es außerhalb Kabuls einen hohen Bedarf an dezentralen Energiestrukturen gebe, also für Solar- oder Windkraft. Dies würden Arbeiten des Kabuler „Instituts für regenerative Energien“ belegen.
Eine Chance für deutsche Solarstromer und Windmüller? „Unbedingt“, sagt Hermann Scheer, Präsident von Eurosolar und Vorsitzender des Weltrates für Erneuerbare Energien. Sonne oder Wind – die Bedingungen vor Ort seien günstig. So sei die mittlere Globalstrahlung mit 2.000 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr in Afghanistan doppelt so hoch wie in Deutschland. Allerdings könne wegen der Sicherheitslage derzeit nur von einer prinzipiellen Chance geredet werden.
Erfahrungen mit Solartechnik gibt es in Afghanistan. Bereits 1985 gab es erste Hilfsprojekte, die Bürgerkriegsflüchtlinge mit Solarkochern versorgten. Seit 1999 werden in einer Grenzstadt Solarkocher hergestellt, die etwa im Chak-e-Wardak-Hospital von Kabul eingesetzt würden. Wegen des hohen Investitionsbedarfes gebe es jedoch noch keine Erfahrungen mit Windkraft. „Wir haben keinerlei Signale für irgendwelche Aktivitäten unserer Mitglieder“, sagt Stefan Gsänger vom Bundesverband Windenergie. Die Unternehmen seien derzeit „sehr damit beschäftigt“, die Nachfrage auf dem deutschen Markt zu decken. „Die Motivation zur Neuerschließung von Märkten ist gering.“ NICK REIMER
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